William Harvey : Gedenkworte anlässich seines 350. Geburtstages / [ Max Neuburger].

  • Neuburger, Max, 1868-1955.
Date:
1928
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Credit: William Harvey : Gedenkworte anlässich seines 350. Geburtstages / [ Max Neuburger]. Source: Wellcome Collection.

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    und klinische Untersuchung basiert auf dem geistigen Erbe nach dem genialen Briten. Das schönste Porträt H a r v e y s zeigt in einer Ecke sein Familienwappen, gekrönt vom Sinnbild einer brennen' den Kerze, die von zwei Aeskulapschlangen umwunden wird, darunter ist das Motto zu lesen: „Piü arde, piu splende“. Wahrlich ein prophetischer Ausspruch, denn je länger das Licht brennt, das H a r v e y s Geist in der Nacht tausendjähriger Irrtümer entzündet hat, in desto hellerem Glanze strahlt es auf! Große Geistes werke üben eine unbegrenzte Wirkung auf alle Folgezeit aus, und nicht Medizin oder Biologie allein sind es gewesen, sondern auch andere Wissensge¬ biete, sogar die sprachliche Ausdrucksweise, wo sich der Einfluß der durch Harvey gewonnenen, nicht mehr wegdenkbaren Erkenntnis nachweisen läßt, so daß ihr Urheber als eine der bemerkenswertesten Erscheinungen in der Geschichte der menschlichen Kultur anzusehen ist. Einer Epoche angehörend, deren Größe auf der Ver¬ einigung von Forschungsdrang mit Bekennermut sich grün¬ dete, in der das Himmels- und Weltbild ein anderes ward, die Götzen des Autoritätsglaubens' in den Staub sanken, durch Galilei ein neuer Begriff von wissenschaftlicher Beweisführung geschenkt wurde, hat Harvey es, wie keiner vor ihm in gleicher Strenge, unternommen, die chaotisch verwirrte Frage über die Funktion des Herzens und der Blutgefäße auf dem Wege der anatomischen, ver¬ gleichend - anatomischen, embryologischen Untersuchung, mittels scharfsinnig angestellter Experimente, der Entschei¬ dung zuzuführen. Er war der Erste, der einen Lebensvorgang analytisch in die Einzelhei¬ ten zerlegend, im höheren Sinne des Wortes beschrieb, und zwar ausschließlich als m e¬ chanisch verlaufenden Prozeß. Er ließ nur die aus Beobachtungen, Versuchen abgeleitete, die induk¬ tive Hypothese zu und anerkannte deren Wert als Theorie, als Gesetz erst dann, wenn neue, unter ihrem Gesichtspunkt ausgeführte Experimente, anders nicht er¬ klärbare Erfahrungstatsachen die Stichhältigkeit bekräftigt hatten. Was uns heute als Selbstverständlichkeit erscheint — die Lehre vom Blutkreislauf — mußte erst in mühsamer Arbeit, mittels neu erschlossener Denkmethodik und Unter¬ suchungstechnik errungen werden, noch dazu in stetem Kampfe gegen die suggestive Macht der durch ihr hohes Alter geheiligten Schuldoktrin. Der Widerlegung der herr¬ schenden Anschauungen, dem Nachweis der Widersprüche und Unklarheiten in der bisherigen Literatur ist die ver¬ hältnismäßig recht lange Vorrede gewidmet, mit der Har^ vey seine Schrift einleitet. Den Eingang zum gesicherten,