Pathologische Vererbung und genealogische Statistik / von Wilhelm Weinberg.

  • Weinberg, Wilhelm, 1862-1937.
Date:
[between 1900 and 1909?]
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Credit: Pathologische Vererbung und genealogische Statistik / von Wilhelm Weinberg. Source: Wellcome Collection.

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    Wenn man bei Erblichkeitsforsch ungen von lebenden oder vor kurzem gestorbenen Individuen ausgeht, so kann man die Lebens¬ geschichte ihrer nächsten Verwandtschaft, Eltern, Geschwister, Kinder, nicht in allen Fällen vollständig übersehen, da nur ein Teil derselben zur Zeit der Erhebungen gestorben sein wird. Wenn man daher die Zahl der positiven Fälle auf die Zahl der Aus¬ gangsindividuen oder auf die Zahl der Verwandten bezieht, so wird man stets nur unvollkommene Zahlen erhalten. Wenn man z. B. in Württemberg 1899—-1900 bei 7 °/0 der Eltern von Geistes¬ kranken Geisteskrankheit konstatierte, so ist anzunehmen, daß sich diese Ziffer noch erhöhen würde, wenn man das Schicksal der noch lebenden, bis dahin gesunden Eltern Voraussagen könnte. Dieser Mangel kommt ^namentlich für die Erblichkeitsuntersuchungen an dem Material von Lebensversicherungsgesellschaften in Betracht. Diesen Untersuchungen droht eine ganz erhebliche Fehlerquelle namentlich dann, wenn das Auftreten einer Krankheit oder des Todes an derselben von dem Alter wesentlich abhängig ist. So werden z. B„ alte Versicherungsnehmer einen höheren Pro¬ zentsatz von Krebs in ihrer Verwandtschaft aufweisen, weil ihre Ahnen und Seitenverwandten ebenfalls durchschnittlich älter sind, als bei jüngeren Versicherungsnehmern, und da unter den Todes¬ ursachen der alten Versicherungsnehmer der Krebs stärker vor¬ wiegt, so wird eine Beziehung zwischen den Krebstoten der Lebens¬ versicherungsanstalten und der Anamnese Krebs in der Verwandt¬ schaft aus rein mathematischen Gründen sich ergeben können, ohne daß eine innere Kausalität vorzuliegen braucht. Man kann nun das Problem der unvollständigen Er¬ fahrungen über die nächste Verwandtschaft, wie ich es nennen möchte, auf zweierlei Weise lösen, indem man sämtliche positiven Fälle mit sämtlichen möglichen Beobachtungen vergleicht. Man kann für die Todesfälle oder Erkrankungen eines be¬ stimmten Alters in der Verwandtschaft den Prozentsatz der erb¬ lichen Beziehungen berechnen und mit der nach allgemeinen Er¬ fahrungen zu erwartenden Prozentsätzen diese Ereignisse ver¬ gleichen. Oder man kann die Zahl der Lebensjahre berechnen, welche in der Verwandtschaft bis zum Zeitpunkt der Erhebung als be¬ obachtet gelten können, und zu diesen die positiven Erfahrungen an Todesfällen oder Krankheiten der untersuchten Art in Beziehung setzen und die so gewonnenen Zahlen mit dein entsprechenden Ver¬ gleichsobjekt zusammenstellen.