Zur Frage der Nervendehnung bei Tabes : Vortrag, gehalten in der wissenschaftlichen Versammlung des Wr. medic. Doctoren-Collegiums am 21. Jänner 1889 / von Moriz Benedikt.

  • Benedikt, Moriz, 1835-1920.
Date:
1889
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Credit: Zur Frage der Nervendehnung bei Tabes : Vortrag, gehalten in der wissenschaftlichen Versammlung des Wr. medic. Doctoren-Collegiums am 21. Jänner 1889 / von Moriz Benedikt. Source: Wellcome Collection.

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    Die Schmerzanfälle kamen besonders im ersten Jahre noch häufig und heftig, wurden aber immer seltener und in den letzten fünf Vierteljahren ist kein einziger aufgetreten. Diese Erscheinung ist um so mehr als eine Nachwirkung der Operation anzusehen, als erfahrungsgemäss die Galvanisation wenig Einfluss auf die tabetischen Neuralgien hat und ich ähnliche Erfahrungen über die Nachwirkung der Operation in anderen Fällen gemacht habe. Die Kranke verrichtet die meisten häuslichen Arbeiten, wie Waschen und Kochen. Die Anästhesie der Beine bestellt im wenig gebesserten Zustande fort, ebenso wie die Ataxie der Arme. Wie Sie sehen, sitzt die Kranke sicher bei geschlossenen Augen und steht auf- fallend gut bei geschlossenen Augen Ich will und kann an der Hand dieser Demonstrationen nicht die ganze Frage der Nervendehnung bei Tabes aufrollen, sondern nur einige epikritische Bemerkungen machen. Die Frage ist eine „nothleidende“, weil die letzte Wahrheit in der herrschen- den Strömung, welche durch die Thorheit der zeitgenössischen Weisen und durch die Thorheit der zeitgenössischen Thoren er- zeugt wurde, ersäuft ist. Es wird in medicinischen Discussionen mit vieler Unklarheit bald den positiven, bald den negativen Beobachtungen eine her- vorragende Rolle zugeschrieben, und ich will den Werth derselben einer methodischen Analyse unterziehen. Gegenüber einer all- gemeinen Verneinung besitzt jede positive Beobachtung eine ausserordentliche Wichtigkeit, weil sie die Allgemein-Giltigkeit der Verneinung umstösst. Gegenüber einer absolut bejahenden Behauptung erreicht eine einzelne negative Beobachtung wieder einen hohen Werth. Die meisten biologischen, besonders aber therapeutischen Sätze enthalten keine absoluten, sondern nur relative Wahrheiten, und wir müssen uns begnügen, den Percentsatz der Bejahungen und der Verneinungen festzustellen. Unter solchen Verhältnissen hat jede einzelne positive oder negative Beobachtung denselben Werth, und zwar den, die Bejahung oder Verneinung um ein Percent zu erhöhen. Die Natur denkt aber nicht in Percentsätzen, d. h. nicht in relativen, sondern in absoluten Wahrheiten. Für sie zerfällt eine solche unvollständige Wahrheit in zwei Gleichungen, von denen jede für sich jene massgebende Factoren enthält, welche für die absolute Bejahung oder Verneinung massgebend sind. Bei therapeutischen Gleichungen sind das ätiologische Moment, die Prädisposition des Kranken, die Art des Auftretens und des Verlaufes, die Dauer, der Zustand der einzelnen Organe etc. IDäSS06l)6nd °Aus zahlreichen neuro-chirurgischen Erfahrungen weiss ich, dass die Erfolge des chirurgischen Eingreifens in erster Linie davon abhängen, ob das Leiden relativ recent sei odei nicht.