Geschichte der Medizin. Eröffnungsbericht / Paul Diepgen.

Diepgen, Paul, 1878-1966.

Date:: 1913

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Credit: Geschichte der Medizin. Eröffnungsbericht / Paul Diepgen. Source: Wellcome Collection.

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diejenigen von den zunächst nicht kultivierten, sondern wild inner¬ halb der Hofraite wachsenden Pflanzen, welche sich durch beson¬ dere Nährkraft auszeichnen. Aus der Nährpflanze wird die Heil¬ pflanze durch die Absicht, mit den in ihr enthaltenen Nährkräften das mit der Krankheit verbundene Schwinden des ganzen Kör¬ pers oder seiner Organe zu beseitigen; daneben soll sie in erster Linie der Erhöhung der Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsfähig¬ keit dienen. Die eisten Erfahrungen über die Schmerzstillung, die Narkose, dürften zufällig beim Suchen nach fettreichen Nahrungs¬ mitteln aus der pflanzlichen Sphäre erworben worden sein. Die Heilmittel erhielten sekundär durch die Beseelung der Pflanze im Seelenkult einen rituellen Nimbus. Die Verwendung von tierischen Organen zur Krankheitsbehandlung ist jünger wie das vegeta¬ bilische Heilmittel. Sie ist, wie von Hoefler durch Vergleichung und Analyse der Bräuche bei den verschiedenen Völkern nachge¬ wiesen wird, aus dem Kultopfer hervorgegangen, bei dem die Idee der erzürnten (auch krank machenden) Unterirdischen oder Seelen¬ geister vorschwebte, gerade so, wie die medizinische Verwendung der sog. Heilbrote aus vegetabilischen Kultopfern hervorging. Man verlor den ursprünglichen Sinn des Opferkultverfahrens, der Omo- phagie (des kultischen Verzehrens des rohen Opferfleisches), der Theophagie oder Communio, d. h. der erstrebten Vereinigung mit der Gottheit durch Mitgenuß der Opferspeise, aus den Augen und brachte nun erst das zum Heilzweck verwendete Organ mit dem zu heilenden in Korrelation. Erst jetzt kommt der Gedanke zum Vor¬ schein, ein erkranktes Organ durch ein gesundes in pharmakologi¬ schem Sinn zu ersetzen. Dieser Gedanke setzt ja bis zu einem ge¬ wissen Grade fortgeschrittene rationelle Organkenntnisse voraus, die jenen primitivsten Zeiten fehlen mußten.' Am längsten erhielt sich der Opferritus bei den öffentlichen Kultmitteln zur Seuchen¬ abwehr. Er geht zum größten Teil auf den griechischen Kult der XÖövioi zurück und ist in Resten und Spuren in der größtenteils von den Ägyptern, Griechen und Römern beeinflußten deutschen Volksmedizin zu finden. Hier rollt sich das Problem der Abhängigkeit und der Zusam¬ menhänge der verschiedenen Völker untereinander in der Heil¬ kunde auf, wie es namentlich Fe lix v. 0ef ele1) für die Keilschrift¬ medizin angeschnitten hat. Je weiter die Forschung in die Details eindringt, desto mehr treten in der Medizingeschichte Abhängig¬ keiten zutage, von denen man früher kaum etwas wußte, Bezie¬ hungen, bei denen der Völkergedanke Bastians versagt und Be- i) Keilschriftmedizin in Parallelen. Zweite Auflage. (Der alte Orient. IV, 2.) Leipzig, Hinrichs, 1904. M. 0,60. 3i