Zur Frage der Nervendehnung bei Tabes : Vortrag, gehalten in der wissenschaftlichen Versammlung des Wr. medic. Doctoren-Collegiums am 21. Jänner 1889 / von Moriz Benedikt.

  • Benedikt, Moriz, 1835-1920.
Date:
1889
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Credit: Zur Frage der Nervendehnung bei Tabes : Vortrag, gehalten in der wissenschaftlichen Versammlung des Wr. medic. Doctoren-Collegiums am 21. Jänner 1889 / von Moriz Benedikt. Source: Wellcome Collection.

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    um sich dem Anblick dieser Dimensionen zu entziehen, ferner als ob sie an der Stelle, an der sie sich befinden, angeklebt seien und sich daher nicht vorwärts bewegen können. Dass solche Kranke, wenn sie öfters von solchen Empfin- dungen befallen waren, eine bewusste Furcht vor dem Hinaus- treten in den freien Raum haben, versteht sich von selbst. Doch ist diess nur etwas Secundäres. Der Ausdruck Agoraphobie für diesen Zustand ist daher als verfehlt anzusehen, und de facto spricht jeder deutsche Arzt vernünftigerweise Platzschwindel und schreibt unvernünftigerweise Agoraphobie. Ich will hier eine allgemeine Bemerkung über Nomenklatur machen. Die richtige Bezeichnung eines Objectes oder Zustandes zu finden, erfordert immer einen Meister seiner Muttersprache, und mit dem glücklichen sprachlichen Griffe ist der Sprach- und Ideenschatz eines Volkes bereichert. Die richtige Bezeichnung deckt das Bezeichnete ganz oder zum grossen Theile. Wir wissen anderseits, wie schwer es ist, Missgriffe und selbst totale Fehl- griffe zu begehen, wenn wir in einer fremden Sprache, selbst wenn wir uns seit der Jugend mit ihr beschäftigen, mit Hilfe des Wörterbuches Bezeichnungen suchen. Daraus folgt aber die Fehlerhaftigkeit der Methode, neue Bezeichnungen aus einer Sprache mit Hilfe des Wörterbuches zu finden, mit der die Mediciner nur ganz äusserlieh vertraut sind. Selbst wenn die Bezeichnung richtig ist, so fehlt der Vortheil, aus dem Worte den Begriff zu schöpfen. Gross aber ist die Gefahr von Miss- griffen bis zur Lächerlichkeit. So wurde in Paris ursprünglich für die coordinatorische Sprachstörung der Ausdruck Aphemie gebraucht, was so viel als Infamie bedeutet. So hat V i r c h o w für die Eigenschaft des Schädels „niedrig“ zu sein, ohne besondere Noth, nur aus hergebrachter Gewohnheit den Ausdruck: „Chamaeocephalie“ gebraucht. Chamai ist aber ein blos bei Homer vorkommendes Umstandswort des Ortes, das am besten mit „parterre“ übersetzt wird, was freilich nicht hoch ist. Chamaeocephalie bedeutet also: „Parterre- Schädligkeit“ (!) Möge die moderne nationale Hyperaesthesie wenigstens das Gute haben, dass wir endlich mit der ererbten Thorheit des falschen Classicismus brechen. Das, was die Russen und Magyaren vermocht haben, werden die westlichen Culturvölker auch ver- mögen, nämlich eine nationale, wissenschaftliche Sprache zu schaffen. Damit wird das Denk-Niveau des Volkes gehoben. Die Raumbeklemmungsgefühle können ganz colossale Grade erreichen, so dass nicht nur der Anblick einer engen Strasse, sondern auch jener eines grösseren Wohnraumes schon Beklem- mung erzeugt. Ich kenne sogar einen lall, wo die Bieite des Bettes der liegenden Patientin schon Angstgefühl bereitet, die nur dadurch behoben werden kann, dass auf der einen Seite