Neuer Beitrag zur Ichthyolbehandlung bei Frauenkrankheiten / von Hermann W. Freund.

  • Freund, Hermann W. (Hermann Wolfgang), 1859-1925.
Date:
1890
    dass die Erfolge rasche und glänzende waren. Ich möchte aber Bedenken tragen, die angegebene Behandlungsweise frischer Ex- sudate allgemein zu empfehlen und zwar aus den Gründen, die gegen jede Scheidentamponade bei derartigen Zuständen über- haupt sprechen, sonst könnten bald schwere Zufälle in der ärzt- lichen Praxis (Schmerzanfälle,. Blutungen, Ohnmächten, Perito- nitiden etc.) beobachtet und bekannt gegeben werden, die dann vielleicht Mancher irrthümlich dem Ichthyol zuzuschreiben geneigt sein möchte. Abgesehen von dieser Publication ist mir auf privatem Wege bekannt geworden, dass man vom Ichthyol einen ausgedehnten Gebrauch macht und im Ganzen damit zufrieden ist. Ich bin jetzt auf Grund weiterer Erfahrungen in der Lage, das Ichthyol noch bei anderen Frauenleiden, als den bisher ge- nannten zu empfehlen. Zuvor aber möchte ich noch bemerken, dass ich unausgesetzt mit dem Mittel arbeite und auch nicht in einem einzigen Falle Schaden davon gesehen habe. Sehr selten bleibt der erwartete Erfolg aus; es wird sich herausstellen müssen, ob bei derartigen (entzündlichen) Fällen nicht jedesmal ein specifischer Process zu Grunde liegt, der eine specifische Be- handlung erheischt. Ferner möchte ich zur Illustration des in meiner früheren Publication Gesagten hier kurz zwei eclatante Fälle von Heilung schwerer Frauenleiden durch Ichthyol mit- theilen. Der erste Fall betraf eine SOjähi'ige Dame, die mich wegen Dysmenorrhoe und Sterilität consultirte. Als Ursache derselben fand ich alte, sehr harte, den Douglas grösstentheils erfüllende Exsudatreste, eine chronische, rechtsseitige Parametritis mässigen Grades und einen geschwollenen Cervix mit sehr engem Os extern., während das Corpus uteri stark anteflectirt, klein und hart war. Eine längere Resorptionscur mit Jodkaliglycerin- tamponade, Sitzbäder, Jodpinselungen etc. hatte sehr geringen Erfolg, das perimetrische Exsudat blieb ausgedehnt und hart. Anfang dieses Jahres nahm ich die Resorptionscur wieder auf, dies Mal aber mit Ichthyöl und zwar in dem ganzen Umfange, wie ich es in meiner ersten Publication beschrieben habe. An- fangs wurde täglich, später 3 Mal in der Woche die Scheide mit 5, dann mit lOproc. Ichthyolglycerin tamponirt, ausserdem der Leib mit Ichthyollanolin eingerieben und Suppositorien mit Ichthyol verabfolgt. Innerhalb 3 Monaten war das Exsudat im Douglas bis auf einige Stränge völlig resorbirt, das rechte Liga-
    ment dehnbar, der Cervix abgeschwollen. Es folgte nun eine sechswöchentliche Badecur in Kreuznach, welche auch noch die letzten Reste der Perimetritis beseitigte, so dass schliesslich der Uterus ganz beweglich war. Da aber die dysmenorrhoischen Beschwerden wegen der Enge des Muttermundes anhielten, so excidirte ich einen Keil aus dem Cervix. Ich hebe hervor, dass in der Reconvalescenz kein Fieber, kein Nachschub der entzünd- lichen Affection auftrat, was man gerade nach Operationen am Cervix bei derartigen Zuständen manchmal sieht; ich schliesse daraus auf eine wirklich radicale Heilung der alten Entzündung. Augenblicklich ist Patientin (nach lOjähriger Sterilität) im zweiten Monat schwanger! Im zweiten Falle bandelte es sich um einen Tumor der linksseitigen Adnexe bei einer jungen Dame. Dieselbe wurde zur Operation an mich geschickt, bat aber, da sie Braut war, drin- gend, zuerst noch alle anderen Mittel zu versuchen, um die Ge- schwulst zu verkleinern, ehe man an die operative Entfernung ginge. Ich fand bei der kräftig gebauten Patientin einen doppelt mannsfaustgrossen, prallen Tumor, welcher durch die deutlich zu palpirende, stark dilatirte Tube mit der linken Pars keratina des kleinen, hinter der Symphyse liegenden Uterus zusammenhing. Da die Geschwulst sehr empfindlich und im Douglas von ausge- dehnten Pseudomembranen eingehüllt und fixirt war, so schien der Schluss gerechtfertigt, dass wenigstens ein Theil ihres Um- fanges auf Rechnung entzündlicher Schwellungen zu setzen sei, weshalb der Versuch mit einer resorbirenden Cur, auch angesichts der persönlichen Wünsche der Patifentin, gemacht werden durfte. Die Ichthyoltherapie wurde in ihrem ganzen Umfang eingeleitet, unterstützt durch ein strenges Regimen. In den ersten 14 Tagen der Behandlung nahm zuerst die Schmerzhaftigkeit sehr schnell, der Umfang des Tumors entchieden etwas ab. Bei der ersten Regel aber (3wöchentlicher Typus, sehr protrahirt und profus) schwoll die Gesehwulst wieder an. Nach der Menstruation er- neute Behandlung mit Ichthyol. Nach Verlauf eines Monats war der Tumor nur noch mannsfaustgross, unempfindlich, deutlich von der linken Tube ausgehend. Die Regel kam erst in der vierten Woche und war nur halb so stark (5 Tage) als sonst. Patientin brauchte darauf zu Hause Sitzbäder, Ausspülungen und Einwicke- lungen des Unterleibs mit Kreuznacher Mutterlauge, innerlich Ichthyolpillen. Als sie nach 5 Monaten sich wieder vorstellte, war sie von blühendem Aussehen und frei von jeglichen Be-
    No text description is available for this image
    Der erste Fall verdient eine etwas genauere Beschreibung. Er betraf eine junge Person, die zuerst im Herbst 1885 mit den Erscheinungen einer Hämatocele retrout. in die Klinik eintrat. Der Erguss schwand bei Eis- und Opiumbehandlung sehr schnell, und es schälte sich aus ihm ein kaum faustgrosser cystischer Tumor des rechten Eierstocks heraus. Patientin wollte von einer Operation nichts wissen und verliess die Klinik. Nach kurzer Zeit aber trat sie wegen unregelmässiger profuser Blu- tungen, gegen welche der Hausarzt Seeale, Hydrastis und heisse Ausspülungen erfolglos angewendet hatte, wieder ein. Man fand den Uterus vergrössert, kugelig, antevertirt, den Douglas frei von Exsudat, den Tumor unverändert. Eine Ausschabung des Uterus förderte sehr reichliche Massen zu Tage, die als von einer Endo- metritis glandularis herrührend bei der mikroskopischen Unter- suchung erkannt wurden. Die Blutungen wurden aber schon nach 3 Monaten wieder irregulär und sehr heftig, so dass eine neue Auskratzung erforderlich war; später Jodinjection in den Uterus. Diemal hielt die Besserung nur wenige Wochen an. Als ich dann den Ovarientumor gewachsen fand, schritt ich, in der Ueberzeugung, dass durch ihn ein andauernder Reiz auf den Uterus unterhalten werde, zur Ovariotomie. Der Tumor, ein über faustgrosses Cystom des rechten Parovariums, Hess sich leicht entfernen. Ungestörte Reconvalescenz. Darauf kam die Regel alle 3 Wochen, manchmal auch etwas eher und war stets reichlich. Nach einem halben Jahre aber war das alte Leiden wieder unverändert da. Es wurden noch zweimal mit der Curette endometritische Massen entfernt, dann wurde längere Zeit der constante Strom genau nach Vorschrift, Massage nach T. Brandt, Hydrastinininjectionen, tonisirende und blutstillende Mittel ange- wendet. Vorübergehende Besserungen waren zu verzeichnen; schliesslich aber nahmen die Blutungen einen ganz unregel- mässigen Charakter an, waren höchst profus und führten zum Verfall der Kräfte. Im Frühjahr dieses Jahres machte ich den ersten Versuch mit Ichthyol. Nach vorheriger Ausspülung des Uterus wurde die ganze Höhle desselben mit reinem Ichthyol- ammonium ausgewischt; das zähflüssige Mittel wurde auf einem kleinen Wattebausch mittelst einer schmalen Kornzange einge- bracht und ausgiebig an allen Stellen des Cavum abgestrichen. Zugleich brauchte Patientin Ichthyolpillen. Der Erfolg ist ein überraschend guter gewesen und geblieben. Nach der einmaligen intrauterinen Application des Mittels und monatelangem Gebrauch
    der Pillen ist die Regel ganz in der Ordnung alle 4 Wochen in durchaus normaler Stärke und Dauer (5 Tagej wiedergekommen; die Kräfte der Patientin haben sich, besonders nach einem Ge- birgsaufenthalt gehoben, der moralische Einfluss des bis zum heu- tigen Tage anhaltend guten Befindens ist natürlich ein bedeu- tender. — Bedenkt man, dass in solchen Fällen die Totalexstir- pation des Uterus ausgeführt worden ist, so wird man diesen Erfolg gewiss nicht gering anschlagen und alle Veranlassung haben, vorkommendenfalls das neuempfohlene Mittel zu probiren. In zwei weiteren Fällen habe ich bei Endometritis post abortum, die von anderer Seite bereits ohne dauernden Erfolg mit Auskratzung der Gebärmutter behandelt worden waren, drei Tage nach dem Gurettement den Uterus einmal mit reinem Ich- thyolammonium (auf der Play fair'sehen Sonde) ausgewischt und habe constatirt, dass die Regel daraufhin in allen Beziehun- gen in Ordnung gekommen ist. Durch mündliche Mittheilung des Herrn Prof. Schauta in Prag habe ich erfahren, dass auch er einen Fall von Endo- metritis, der sehr lange ohne anhaltenden Erfolg behandelt worden war, durch Ichthyolauswischung des Uterus geheilt hat. In einigen Fällen von einfachem Uteruskatarrh, welcher Lageveränderungen und Anschwellungen der Gebärmutter zu begleiten pflegt — eine Aifection, die durch Gurettement nicht behandelt werden sollte — haben wir schnelle und gute Erfolge durch einfache Scheidentamponade mit Ichthyolglycerin erzielt, wenn zugleich das primäre Leiden rationell behandelt wurde. Die günstige Beeinflussung endometritischer Processe durch das Ichthyol ist jedenfalls der resorbirenden und austrocknenden Wirkung des Mittels zuzuschreiben. Da es nebenbei schmerz- stillend ist und keinerlei ätzende oder giftige Eigenschaften be- sitzt, so dürfte es, vorausgesetzt, dass sich günstige Erfahrungen hierbei in vermehrter Anzahl herausstellen, dem Jod, Chlorzink, den verschiedenen Säurelösungen und Aetzmitteln vorzuziehen sein, welche bisher in der Nachbehandlung des Cürettements eine Rolle spielten, welche aber entweder zu schwach wirken, oder in Folge sehr energischer Eigenschaften üble Zufälle im Gefolge führen. — Schliesslich scheint mir im Ichthyol endlich ein Mittel ge- funden zu sein, welches zur Heilung von Schrunden der Brustwarze allgemein verwendet zu werden verdient. Wir haben uns in der Klinik und Privatpraxis bisher in 24 Fällen