Gutächtliche Aeusserung des Doctoren-Collegiums der medic. Facultät in Wien über die Organisirung der akademischen Behörden und ein definitives Statut der Wiener Universitat / J. Schneller.

  • Schneller, J.
Date:
[1864?]
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Credit: Gutächtliche Aeusserung des Doctoren-Collegiums der medic. Facultät in Wien über die Organisirung der akademischen Behörden und ein definitives Statut der Wiener Universitat / J. Schneller. Source: Wellcome Collection.

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    Was die Vornahme der Beeidigung- nach Erlangung der soge¬ nannten niederen Grade betrifft, so ist sie, weil kein Gegenstand des Unterrichts und sich bloss auf die künftigen Berufspflichten beziehend, selbstverständlich kein Act des Lehrkörpers, sondern der corporativen Facultät. Die vom Jahre 1810, wo jeder Laie Zahnarzt werden konnte, sich datirende Anomalie, dass bei der zahnärztlichen strengen Prü¬ fung der Professor der Anatomie und Chirurgie intervenirt, aber nicht der Lehrer der Zahnheilkunde, wäre sachgemäss zu beseiti¬ gen. Denn nach der Allerhöchsten Entschliessung vom 31. März 1833 ist, um Zahnarzt zu werden, wenigstens das Patronat der Chirurgie erforderlich. Zur Prüfung seiner Befähigung als ausge¬ bildeter Zahnarzt wäre zum Rigorosum nebst dem Fachlehrer noch ein praktischer Zahnarzt beizuziehen, der zugleich mit der gegen¬ wärtig so hoch entwickelten Zahntechnik vollkommen vertraut ist. Die Ausbildung und der Beruf des Apothekers steht mit dem des Arztes und daher mit dem der medic. Facultät in viel innige¬ rem Zusammenhänge als mit der philosophischen Facuität, welche sich mit der Wissenschaft an sich und nicht mit ihrer praktischen Anwendung befasst. Es dürften daher die strengen Prüfungen der Apotheker, welche gegenwärtig theilweise bei der philosophischen Facultät stattfinden, künftig besser, wie es früher der Fall war, bei der medic. Facultät allein abgehalten werden, von welcher auch das Diplom gegeben wird. VII. Die in dem angedeuteten Sinne wieder herge¬ stellte medic. Facultät soll in dem Genüsse der bishe¬ rigen Bezüge, so wie in dem Besitze ihres beweglichen und unbeweglichen Vermögens gesichert werden. Der Bezug der ihr seit 1851 entzogenen Facultäts- Matrikeltaxe möge ihr wieder gewährt und der bereits eingezogene Betrag zurückerstattet werden. Jene Stiftungscapitalien, welche nach dem Willen ihrer Gründer der medic. Facultät (jetzt Doctoren - Col¬ legium der medic. Facultät) zur Aufbewahrung und Ver¬ waltung zugewiesen wurden, sich jetzt aber in den Hän¬ den der h. Statthalterei befinden, sind der Körperschaft zurückzustellen, welche sie genau nach den Bestimmun¬ gen der Stiftbriefe verwalten und verwenden wird. Um ihre Zwecke (nach Punct IV) zu erfüllen, bedarf die Fa¬ cultät materieller Mittel. Da ihr eigenthümlicher Fond sehr unbe¬ deutend ist und sie sich einen solchen auch nicht schaffen kann, weil ihre Eintrittstaxen und der Ueberschuss ihrer Einkünfte ge¬ setzlich in die Cassa ihrer Witwen- und Waisensocietät zu fliessen hat, so ist sie auf den Bezug der Taxen von den Facultätsacten beschränkt. Hierunter befand sich auch die Facultäts-Matrikeltaxe, welche die Studierenden der Medicin seit Gründung der Universität (denn die Statuten von 1384 und 1402 erwähnen sie schon), als Angehörige der Facultät bei ihr erlegen mussten. Erst im Jahre 1851 wurde ihr dieselbe ohne Angabe des Grundes entzogen und dadurch dem Doctoren-Collegium, so wie indirecte der Witwensocie- tät ein Nachtheil zugefügt. Das Doctoren-Collegium glaubt auf Grundlage des §. 35 des provisorischen Gesetzes, vermöge welchen es die Nachfolgerin der ehemaligen Facultät ist, noch ein Recht auf den Bezug obiger Matrikeltaxe zu besitzen, wesshalb ihr der bisher entzogene Betrag zurückzuerstatten wäre. Zu seinem unbeweglichen Vermögen rechnet das Doctoren-Col¬ legium auch den ihm gebührenden Antheil an dem Grund- und Realitätenbesitze der Universität, namentlich an dem sogenannten neuen Universitätsgebäude, welches die Kaiserin Maria Theresia am 5- April 1756 vor der ganzen Universität feierlichst dem Rector und Universitäts-Consistorium, d. i. den Decanen, Nationsprocura- toren und Senioren, zur Tilgung einer Schuldforderung der Univer¬ sität an das Aerar im Betrage von 565-852 fl. 49 kr. übergeben hatte. Dieses Gebäude wurde aber 1857, ohne die rechtlichen Be¬ sitzer zu befragen, der Universität genommen und anderen Zwecken gewidmet. Das Doctoren-Collegium fühlt sich verpflichtet, dasselbe zu Universitätszwecken zu reclamiren. Was die von ihren Stiftern ausdrücklich der Facultät zur Auf¬ bewahrung und Verwaltung übergebenen Stipendienfonde betrifft, die sich aber gegenwärtig laut St. H. C. Deeret vom 26. Juni 1812, Z. 1224, bei der hochlöblichen n. ö. Statthalterei befinden, so soll auch hier der Wille der Stifter zur Wahrheit werden. Bei der nun den Corporationen wieder eingeräumten Autonomie in der Geba¬ rung mit ihren Geldern, und bei dem Umstande, als die Witwen- societät des Collegiums ihr nicht unbeträchtliches Vermögen und das Doctoren-Collegium anderweitige bedeutende Fonde (Unterstü¬ tzungsinstitut, Facultäts-Aushilfsfond) selbstständig verwaltet, dürfte die Ausfolgung obiger Stipendienfonde gemäss dem Willen der Stifter an die Facultätskörperschaft keinem Anstande unterliegen. Indem das Doctoren-Collegium vorstehende VII Anträge, wel¬ che in der von 102 Mitgliedern besuchten corporativen Plenarver¬ sammlung vom 28. November 1864 mit Ausnahme des bloss mit grosser Majorität angenommenen Punctes III sämmtlich ein¬ stimmig angenommen wurden, einem Venerabile Universitäts- Consistorium bei Erstattung der Vorschläge zur definitiven Organi- sirung der Wiener Universität zur geneigten Berücksichtigung und Vorlage empfiehlt, gibt es sich der Ueberzeugung hin, Hoch- dasselbe werde in ihnen nur den Ausdruck der innigsten Anhäng¬ lichkeit des Collogiums an die Universität und das Bestreben er¬ blicken, dieses Verbandes auch würdig zu sein! Das Collegium war bemüht, den altehrwürdigen stiftungsmässi- gen Charakter der nun an der Schwelle des zweiten halben Jahr¬ tausends stehenden Wiener Universität mit den Anforderungen der Gegenwart in Einklang zu bringen. Bei dem nun wieder mehr zur Geltung gelangenden Selbstverwaltungsrechte anerkannter Körper¬ schaften erwartet das Collegium mit Zuversicht, dass seine Vor¬ schläge nicht unberücksichtigt bleiben und dass, falls bei der competenten obersten Behörde zur Regelung der Uni¬ versitätsfrage commissioneile Berathungen gepflogen werden sollten, hiezu auch Vertreter des Doctoren-Col- legiums der medic. Facultät beigezogen werden. Diese letzte Bitte wagt noch das Doctoren-Colle¬ gium einem Venerabile Universitäts-Consistorium zur Befürwortung höheren Orts zu unterbreiten.