Gutächtliche Aeusserung des Doctoren-Collegiums der medic. Facultät in Wien über die Organisirung der akademischen Behörden und ein definitives Statut der Wiener Universitat / J. Schneller.

  • Schneller, J.
Date:
[1864?]
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Credit: Gutächtliche Aeusserung des Doctoren-Collegiums der medic. Facultät in Wien über die Organisirung der akademischen Behörden und ein definitives Statut der Wiener Universitat / J. Schneller. Source: Wellcome Collection.

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    I. Die medicinische Facultät soll nur eine und zwar ■ungetheilte sein, wie sie es seit ihrer Gründung bis zum Jahre 1849 gewesen. Die Wiener Universität ist nach ihrer ursprünglichen Anlage und ihrem bisherigen Bestände nicht bloss eine hohe Schule im heutigen Sinne des Wortes (Studium generale, schola publica et privilegiata des Stiltbriefes), sondern zugleich eine gelehrte Ge¬ meinde mit autonomer Verfassung, eine Universitas Doctorum, Ma- gistrorum et Scholarium, gegliedert nach den vier Nationen und vier Facultäten. Dieser in den Stiftbriefen der Urenkel Rudolfs von Habsburg, nämlich des Herzogs Rudolf IV. und seiner beiden Brüder Albrecht IH. und Leopold III., im Jahre 1365 und 1384 klar ausgesprochene und von diesen für sich und ihre Nachfolger ge¬ währleistete corporative Charakter der Wiener Universität bildet das Unterscheidende derselben von den ausserösterreichisch deut¬ schen Staatslehranstalten höherer Kategorie, welche den Namen Universitäten führen. Wie bereits erwähnt, wurde nirgends nachgewiesen, dass durch diesen eigenthümlichen Charakter die Universität als Lehranstalt Schaden leide, im Gegentheil erfreut sie sich eines bedeutenden Rufes und ihre Diplome haben jetzt noch eine höhere Geltung, als die anderwärts an reinen Staatsanstalten erworbenen. Damit aber die Staatsschule innerhalb der Facultät die ihr zukommende Auf¬ gabe erfüllen kann, ist ihr ein ganz unabhängiger Wirkungskreis gesichert, wie dies in einem späteren Anträge (V) entwickelt wer¬ den wird. Es kann dies geschehen, ohne dass desshalb die Einheit der Facultät alterirt wird. Der Executive muss ja zur Durchführung bestimmter Aufgaben die nothwendige Machtvollkommenheit eingeräumt sein. Der Lehr¬ körper übt diese durch seinen Vorstand aus und zwar in allen je¬ nen Fällen, wo er competent ist, d. i. in der Anwenduug der be¬ stehenden Gesetze auf reine Studien- und Disciplinar-Angelegen- heiten. In jenen Fällen aber, wo es sich um ein Gutachten der Fa¬ cultät in Studien-Organisationsangelegenheiten, um Berufung von Professoren, um Ertheilung von Ehrendiplomen u. dgl. handelt, fun- girt das sub V angedeutete Coinite unter dem Vorsitze des Deeans, der auch demgemäss die in diesem erledigten Geschäftsstücke wei¬ ter zu befördern hat. Wie es aber bisher gehalten wurde, so fehlt das einheitliche Wirken und somit der gewünschte Erfolg. Es ist übrigens wohl klar, dass der Aufschwung der Wissen¬ schaft und das Fortschreiten der Intelligenz weniger von den ad¬ ministrativen Einrichtungen der Lehranstalten abhängt, als von der durch l die Staatsgewalt gegönnten Freiheit in der politischen und geistigen Entwickelung überhaupt. Unter übrigens gleichen Umständen wird daher jene Institution zur Förderung und Verbreitung der Wissenschaft mehr beitragen, in welcher mehr unabhängige Elemente sich befinden und durch stete Herbeiziehung jüngerer Kräfte ein heilsames Ferment erhalten wird, das eine dauernde Stagnation unmöglich macht. Diese Elemente sind aber in der corporativen Facultät gege¬ ben, sie werden sich mit dem fortschrittsfreundlichen Lehrkörper stets in bester Harmonie befinden, und die Einheit der Facultät wird in dieser Hinsicht auch eine Einigkeit herbeiführen. H. Bei der einen ungetheilten Facultät soll nur ein Vorstand, d. h. ein Decan sein, welcher aus und von der Gesammtheit mit absoluter Stimmenmehrheit auf die übliche Dauer gewählt wird. Auch Professoren, inso- ferne sie der Facultät einverleibt sind, können zu De- canen gewählt werden. Der Decan hat Sitz und Stimme im Universitäts - Consistorium. In Erkrankungs- oder Verhinderungsfällen tritt sowohl in der Facultät als im Consistorium der zuletzt gewesene Decan, oder auch in Verhinderung dieses stets der vorhergehende Decan ein, welcher den Titel Prodecan führt. Aehnliches gilt vom Universitätsrector, welcher vom Consistorium all¬ jährlich aus einer anderen Facultät gewählt wird. Zur Würde eines Universitätsrectors sind Doctoren wie Professoren in gleicher Weise wählbar. Die Procurato- ren der vier akademischen Nationen sind mit diesen wieder in ihre früheren Rechte einzusetzen und sind nebst den vier Vertretern der Lehrkörper und dem Kanzler Mitglieder des Universitäts - Consistoriums. Der Rector vertritt die Universität am nied. österr. Landta ge. Es bedarf keiner Motivirung, dass bei der einheitlichen Facultät nur ein Decan sein kann, dessen freie Wahl durch die Gesammtheit wohl das wichtigste Recht einer Körperschaft reprä- sentirt. Wenn das Doctoren-Collegium aus Ueberzeugung und mit Entschiedenheit darauf anträgt, dass auch Professoren zu Decanen gewählt werden können, so wiederholt selbes nur das, was es be¬ reits bei verschiedenen Anlässen und zwar schon 1846 beantragt hatte. Jene beschränkende, nicht von der Körperschaft ausgegan¬ gene, A. 0. unterm 12. November 1774 erflossene und unterm 13- Jänner 1818 erneuerte Bestimmung, welche die wirklichen Pro¬ fessoren vom Decanate und Rectorate ausschloss, »damit sie nicht durch Nebenarbeiten vom Lehramte abgehalten werden,« wurde übrigens durch das provisorische Gesetz vom Jahre 1849 durch 29 beseitigt. Es ist billig, dass jene beschränkende Klausel des §. 33, welche die Doctoren vom Rectorate ferne hält, gleichfalls aufgehoben werde. Hinsichtlich der Wahl des Deeans wird es eine Ehrensache der Körperschaft sein, hiezu nur einen Mann der Wissenschaft zu wählen, dessen Charakter jedem Mitgliede Achtung einflösst, und die Wahl mit solchen Garantien auszustatten, die ein derartiges Ergebniss mehr sicherstellen. Hinsichtlich der vier akademischen Nationen und ihrer Procu- ratoren, welche stiftungsmässige Bestandtheile der Wiener Univer¬ sität bilden, erlaubt sich das Doctoren-Collegium ehrfurchtsvoll auf sein in der Plenarversammlung vom 6- Juni 1864 einstimmig zu ihren Gunsten abgegebenes Gutachten zur Consist.-Zahl 859 vom Jahre 1862 hinzuweisen. Die akademische Nation, welche die vier Facultäten in sich vereinigt, soll einen innigeren Verband derselben bewerkstelligen, dann die Unterstützung würdiger und dürftiger Studierender, so wie die Bildung eines Schiedsgerichtes höherer In¬ stanz in Disciplinarangelegenheiten der Schüler zum Zwecke haben. Die Procuratoren bilden zugleich die Vertreter der Studierenden. Was die im Consistorium speciell vertretenen Lehrkörper betrifft, so wird in Punct V die Motivirung folgen. III. Die medic. Facultät soll das Recht erlangen, je¬ nen Doctoren, deren Aufnahme mit der Ehre der Facul¬ tät nicht vereinbar ist, diese zu verweigern, vorbehalt¬ lich des Recurses der Betreffenden an die Universität. In älteren Zeiten konnte die Facultät leichter jeden Doctor praestitis praestandis aufnehmen, denn er durfte nur dann von ihr promovirt werden, si fuerit inventus sufficiens in scientia et morum honestate. Stat. fac. med. vom Jahre 1389, Tit. 3, §§• 3 und 8- Ge¬ genwärtig hat das Collegium gegenüber dem Professoren-Colle- gium nur einen sehr geringen Einfluss bei Beurtheilung der Fähig¬ keiten des Doctoranden, obgleich es ihn, wenn er Doctor geworden, in seine Mitte aufnehmen muss; es soll also hier der Körperschaft bei ihrer Ergänzung ein gewisses Recht gewahrt sein, so wie eine stärkere Vertretung bei dem Prüfungsacte ihrer künftigen Mit¬ glieder. IV. Zum Wirkungskreise der medic. Facultät gehören nach den noch bestehenden Allerhöchsten Bestim¬ mungen: a) die Erhaltung, Verbreitung und Ausbildung der Heilkunde in ihrem weitesten Umfange; b) die Vornahme der strengen Prüfungen zur Er¬ langung der akademischen Grade und des Rechtes zur Ausübung der Praxis, ferner die Approbation und Be¬ eidigung der niederen Sanitätsindividuen; c) die Erstattung von Gutachten im Interesse des öffentlichen Unterrichtes, Gesundheitswohles und der Rechtspflege;