Lehrbuch der Anatomie des Menschen / von A. Rauber.

  • Rauber, A. (August), 1841-1917.
Date:
1897-1898
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Lehrbuch der Anatomie des Menschen / von A. Rauber. Source: Wellcome Collection.

    15/908
    E mit den grossen Gefässstämmen in offenem Zusammenhänge und bildet insofern den Mittel- punkt, das Centralorgan des Gefässsystemes und des Kreislaufes. An den beiden Öffnungen des Herzens kommen oft Falten der Innenwand zur Ausbildung, die eine sehr regelmässige Form besitzen und grosse Bedeutung erlangen, indem sie der bewegten Flüssigkeit einen Weg freilassen, den anderen aber verwehren. Öfters ist das Herz aus mehreren aufeinander fol- genden Abteilungen zusammengesetzt, eine Anordnung, die man auch als eine Verbindung mehrerer zusammenwirkender Herzen betrachten kann. Diejenigen Gefässe, welche das Blut vom Herzen zu den Organen leiten, werden Arterien, diejenigen, welche es dem Herzen wieder zurückbringen, Venen genannt; das grosse Zwischengebiet stellt das System der Haargefässe oder Kapillaren dar (s. Fig. 1). Erst bei den Wirbeltieren begegnen wir auch Lymphgefässen; sie stellen ihrem Wesen nach einen wichtigen Anhang des Venen- systemes dar, wie später auseinanderzusetzen ist. Schon in der Eingeweidelehre (Bd. I, S. 617) wurde hervor- gehoben, dass das Vorhandensein besonderer Atmungsorgane den grössten Einfluss auf die Gestaltung des Gefässsystemes ausübe. Besteht doch die Aufgabe der Atmungsorgane darin, dem Blute Sauerstoff zuzuführen, Kohlensäure zu entnehmen. Das Blut muss zur Erreichung dieses Zweckes notwendigerweise einen neuen Kreislauf durchmachen. Es muss in ähnlicher Weise, wie es im Kapillarsysteme des Körpers zur Ernährung des letzteren geschieht, neuerdings flächen- haft ausgebreitet und den Einwirkungen der atmosphärischen Luft oder des sauerstoffhaltigen Wassers in ausgiebigerWeise ausgesetzt werden. Dadurch wird aber das Gefässsystem notwendigerweise in seiner An- ordnung verwickelter. Im allgemeinen wird die Aufgabe in der Weise erreicht, dass das Blut, nachdem es die Organe durchströmt hat und venös geworden ist, sich in einem grösseren gemeinsamen Behälter sam- melt und von diesem in die Kiemen oder Lungen befördert wird, in welchen es sich zu arterialisieren vermag. Ist dies geschehen, so gelangt das arterielle Blut in einen zweiten, kontraktilen Behälter, welcher es dem Körper und dem in ihm enthaltenen mächtigen Ka- pillarsysteme entgegentreibt. Bei vielen Gruppen wirbelloser Tiere (bei Weichtieren, Krebsen) ist der zweite kontraktile Behälter das Herz; es empfängt arterielles Blut und ist also ein arterielles Herz. Das aus dem Körper, zurückkehrende venöse Blut sammelt sich in einem venösen Blutsinus, von welchem es zu den Kiemen gelangt, um sich zu arterialisieren. Fig. 1. Schema des ein- fachen Kreislaufes. H Herz; a Arterie; v Ve- ne; c Capillarsystem und Organe. Im Herzen ist ein initialer und termi- naler Apparat von Taschen- ventilen angebracht. Ganz anders ist es bei den Fischen. Bei ihnen wird das Herz durch den ersten grossen Behälter dargestellt, welcher das aus dem Körper zurückströmende venöse Blut auf- nimmt und es in die Kiemen befördert; das Herz dieser Tiere ist ein venöses Herz. Von den Kiemen gelangt das Blut in die Aorta, einem grossen nicht selbständig pulsierenden Ge- fässe, welches dem zweiten Behälter entspricht und das arterielle Blut in den Körper führt. Aus derselben Grundlage des venösen Herzens geht das Herz aller folgenden Wirbeltier- klassen hervor. Durch zunehmende Septenbildung aber entwickelt sich aus dem einfachen venösen Herzen allmählich ein Doppel herz, von welchem die eine, venöse Hälfte den Kreislauf der Atmung, die andere, arterielle Hälfte den Kreislauf des Körpers unterhält, wie wir 'es bei den Vögeln und Säugetieren vorfinden. Hierüber ist erst an späterer Stelle auf Einzelheiten einzugehen. Ganz anders wiederum liegen die Dinge bei jenen Abteilungen des Tierreiches, welche durch Tracheensysteme atmen, wie die Insekten und andere luftatmende Gliederfüsser. In den Wänden der Tracheen verbreitet sich kein Blutgefässnetz. Der Sauerstoff der Luft wird durch die Tracheen, welche als Systeme stark verzweigter Lungen aufgefasst werden können, den Geweben unmittelbar zugeiührt, während das Blut von der respiratorischen Aufgabe mehr oder weniger frei bleibt. Die Tracheensysteme verhalten sich den Geweben gegenüber etwa in derselben Weise bezüglich der Respiration, wie bei den mit verästeltem Darme ver- sehenen Platliehninthen die Aste des Darmes bezüglich der Ernährung der Gewebe. Das 1*