Zur Geschichte der Syphilis : die ältesten spanischen Nachrichten über diese Krankheit und das Gedicht des Francesco Lopez de Villalobos vom Jahre 1498, zum ersten Mal in deutsche Verse übertragen.

  • Finckenstein, Raphael.
Date:
1870
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Credit: Zur Geschichte der Syphilis : die ältesten spanischen Nachrichten über diese Krankheit und das Gedicht des Francesco Lopez de Villalobos vom Jahre 1498, zum ersten Mal in deutsche Verse übertragen. Source: Wellcome Collection.

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    Hauptmoment für die grösseie Verbreitung der Syphilis zu liegen scheint und deshalb auf die Sittengeschichte jener Zeit ausführlich Rücksicht ge- nommen werden müsste, weil ich glaube, dass man den jeweiligen Stand solcher Uebel am besten nach dem Grade der jeweiligen Moralität bemessen kann. Im weiteren Verfolge dieser Culturmomente erinnere ich daran, wie der Ort, wo die christliche Welt die Wohnung der Heiligkeit und deu Spiegel der Sittlichkeit zu finden wähnte, lange Zeit nachher noch sich in einem ähnlichen Schlamm von Verworfenheit und Ausschweifungen ersäufte, wie wir das seiner Zeit von Tiberius und dem kaiserlichen Rom gesehn. Pabst Alexander VI., welcher selbst in seinem Palaste Turniere für die Venusritter anstellte und Preise für den Tapfersten aussetzte, Gelage für die grossen Prälaten seines Reichs anrichtete, bei denen man mit den sogenannten heiligen Jungfrauen den gröbsten Unfug trieb, war, wie seine Söhne, die Gebrüder Borgia, ein Vertrauter der ga- lanten Krankheit geworden. Von dem Leben an dem Hofe dieses ver- worfenen Roues sagt der gewiss nicht übertreibende Raumer: Grausamkeit und Wollust, Furcht und Tollkühnheit, Unglaube und Aberglaube gingen wie so oft Hand in Hand, und das Gefühl der Berichterstatter ist nicht selten dergestalt abgestumpft, dass sie das Anstössigste und Nichtswürdigste mit so unbefangener Ruhe erzählen, als sei es das Natürlichste und Ge- wöhnlichste. Wer jemals eine Schilderung der Orgieu gelesen, die an diesem Hofe gefeiert wurden, kann aus dem unzüchtigen und blutschän- derischen Treiben die Aehnlichkeit nicht verkennen, die des Pabstes Tochter mit einer Messalina hatte. Burehardt, ein Strassburger capellae clericus und ceremoniarum magistcr, welcher die Biographie Alexanders abgefasst, sagt, er hatte quinquaginta merotrices honestae, cortegianae nuneupatae, später auch urbanae. An eine Sittenpolizei war wohl unter solchen Um- ständen nicht zu denken. Derselbe Schriftsteller erzählt, dass 6 Oelhändler Prügelstrafe erlitten, weil sie Syphilitischen ihre Gefässe zum Bade mit- gegeben und dasselbe Oel, wovon jene gebraucht, den Anderen für rein verkauft hätten. So ungefähr sah es in Rom aus, als die Franzosen in Italien ein- rückten. Es geschah fast ohne Schwertstreich, ihr Marsch glich mehr einer Promenade, alle lebens- und liebeslustig, iu einem zum Liebcsgenuss ein- ladenden Lande; an ihrer Spitze ein junger König, ein lockrer Gesell, der in seinem Portefeuille alle die Frauenzimmer, mit denen er Liaisons ange- knüpft, mit höchst eigner Hand nach der Natur abkonterfeite, und der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ein, sondern G oder 7 Mal angesteckt gewesen ist, ohne jemals ordentlich kurirt zu werden. Seine Söldner ver- übten viehische Wollüste, von denen sich selbst die Frauen nicht er- wehren konnten oder wollten. Wie diese Soldaten zugerichtet gewesen sind, davon giebt der Feldwundarzt Alex. Benedict ein schlagendes Bei- spiel: Mirum est, quod in castris vidimus ad forum in Parmensi agro in pugna adversus Gallos. Nuda erant cadavera passim per ripas fluminis jaoentia, quorum inguina mire supra modum magnitudinis intenta erant. Ende des 15ten Jahrhunderts bildete Italien den Zufluchts- und nächsten Vereinigungspunkt der Flüchtlinge mehrerer Länder; aus Griechen- land waren nach dem Untergang des lateinischen Kaiserthums uicht allein Gelehrte, sondern auch eine Menge andern Volks herübergekommen, und es fand eine ununterbrochene rege Communikation mit den griechischen Inseln des Archipels statt. Im Jahre 1492 u. 93 kamen die aus Spanien ver- triebenen Marannen nach Rom, wo sie jedoch viel von den Intnguen des spanischen Gesandten zu leiden hatten, der christlicher als der Pabst ihre Aufnahme zu verhindern suchte. 1494 rückte Carl VIII. ein, und nach seinem Abzüge landeten Spanier in Calabrien, um Neapel wieder zu er- obern Die Marannen, die Franzosen und die Spamer sind, die einen von diesem die andern von jenem Schriftsteller als die Urheber der Syphilis bezeichnet worden. Wie viel oder wie wenig auch eine jede dieser Nationalitäten zur Verbreitung beigetragen hat soviel ist uns aus dem historischen Verlauf der Dinge klar geworden, dass keine von ihnen das