Lehrbuch der Nervenkrankheiten / von G. Aschaffenburg [and others].

  • Curschmann, Hans, 1875-
Date:
1909
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Credit: Lehrbuch der Nervenkrankheiten / von G. Aschaffenburg [and others]. Source: Wellcome Collection.

    17/1000 (page 13)
    Allgemeine Diagnostik der Nervenkrankheiten. Von S. Sehoenborn - Heidelberg. 1. Die Aufnahme der Anamnese. Der Satz, daß die ärztliche Kunst am Krankenbette ihre beste Basis verliert ohne eine gute Krankengeschichte, klingt heute sehr altmodisch, in der Zeit der Orthodiagraphie und der Präcipitinreaktionen. Wenn ich behaupte, daß jener Satz trotzdem richtig und für kein Spezialgebiet richtiger ist als für die Nervenkrankheiten, so möchte ich deswegen nicht als Kron- zeuge für eine angebliche Rückständigkeit der Neurologie angerufen werden, sondern im Gegenteil sagen, daß in dem Rahmen unseres Gebietes jene unendliche Zersplitterung in. Spezialerfahrungen, neue und neueste, noch nicht zu verzeichnen ist, wie wir sie in manchen Zweigen der inneren Me- dizin heutzutage sehen. Eine Zusammenfassung unserer Kenntnisse in der Neurologie ist, trotz der auch hier von Jahr zu Jahr wachsenden Fülle . neuer Beobachtungen und Tatsachen, für den einzelnen Arzt noch möglich, er braucht vor der verwirrenden Masse von Separatwissenschaften noch nicht den klaren Blick für das Ganze des Falles — das große Erbteil der ersten Neurologen und Internisten des vorigen Jahrhunderts — zu verlieren. Da- zu bedarf er aber neben und über dem modernen Rüstzeug der Diagnose vor allem das grobe Handwerkszeug jener Meister: die Krankengeschichte. Die Krankengeschichte besteht nach dem überlieferten Schema aus Anamnese, Status, Diagnose, Prognose und Therapie. Ich finde keinen Grund, an diesem Schema irgend etwas zu ändern; ein besser zusammen- fassenderes kenne ich nicht. Die ‚‚geniale‘‘ Methode der ‚Anhiebsdiagnosen‘ imponiert nur dem Anfänger. So sicher auch der Erfahrene aus dem schleudernden Gange und der leicht sichtbaren Pupillendifferenz einen Tabiker, aus Glotzaugen und Struma einen Fall Basedowscher Krankheit schon par distance erkennen kann, er verlasse sich niemals auf seine Empirie. Sehr oft korrigiert schon die genaue Anamnese die Siegesgewißheit der „Diagnose auf den ersten Blick“. Ich sagte, daß der Wert einer genauen Krankengeschichte gerade bei den Nervenkrankheiten ein besonders hoher ist. Das gilt gleich zu Beginn von der Anamnese. Sie ist hier noch unentbehrlicher als bei den meisten inneren Krankheiten, obwohl es andrerseits seltener als bei diesen gelingt, die Diagnose allein aus der Anamnese zu stellen. Ein Nierenkranker kann schon durch eine genaue Angabe der Krankheitsentwicklung und seiner Be- schwerden dem Arzte zur richtigen Diagnose verhelfen, und andrerseits Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 1