Die Muskelerkrankungen / von Heinrich Lorenz.

  • Lorenz, Heinrich.
Date:
1904
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Credit: Die Muskelerkrankungen / von Heinrich Lorenz. Source: Wellcome Collection.

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    Die pseiidohypertrophische Musculatur ist in vielen Fällen lipom- artig weich, in anderen wieder prall und fest. Namentlich ist dies häufig an der Wade der Fall, trotzdem die histologische Untersuchung eines zu dieser Zeit excidirten Muskelstückchens schon vollständige Lipomatosis aufweist (siehe Fall 2 auf S. 647). Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich am leichtesten aus der anatomischen Lagerung der Miiskelbündel im Gastrocnemius. Wenn die- selben, wie es ja bei der Lipomatosis der Fall ist, mit Längsreihen von Fettzellen durchsetzt werden, stellen sie sich, de norma schräg zur Medianlinie des Muskels verlaufend, nun immer senkrechter gegen die- selbe, wogegen sie bei der einfachen Atrophie eine mehr und mehr parallele Eichtung zu ihr annehmen. Durch die Senkrechtlagerung der Muskelbündel erhalten vorerst die Muskelbäuche die bekannte stark vor- springende Form und fühlen sich ausser infolge der hiedurch vermehrten Spannung der Fascie auch deshalb noch härter an, als sie thatsächlich sind, weil der tastende Finger die Muskelbündel in der Eichtung ihrer Längsachse, nicht seitlich, trifft. Dies sind die Gründe, weshalb die hpo- matöse Wade oft bis zum Tode des Patienten hart erscheint, während der ebenso veränderte Biceps sich vom Anfang an weich anfühlt. Man darf sich daher aus der Härte des Muskels, speciell der Wade, niemals zur Annahme einer wahren Hypertrophie verleiten lassen. Durch die beschriebene Querstellung der Fasern wird der Muskel verkürzt, ohne contrahirt zusein — ein Zustand, der bereits 1872 von Butlin er- wähnt wird, üebrigens mag auch ein Theil der als Contractur oder Pseudocontractur aufgefassten Muskelverkürzung des Gastrocnemius bei der Pseiidohypertrophie auf solche Weise zu erklären sein (siehe Kranken- geschichte 2 auf S. 646). Bei activer Oontraction bildet der pseudohypertrophisehe Muskel oft knollige, unregelmässige Wülste. Manchmal kommt es sogar zur Bil- dung von Muskelhernien (Reitmaier). Die Haut über der pseudohypertrophischen Musculatur ist prall ge- spannt. Sie zeigt eine eigentümliche Marmorirung, die von Cohnheim auf collaterale Fluxion durch Druck des wuchernden Binde- und Fettgewebes auf die Muskelgefässe, von Anderen auf Erkrankung der Vasomotoren, von Doctor auf Wegfall der für die Circulation in den Venen so wich- tigen Muskelbewegungen zurückgeführt wird. Das subcutane Fettgewebe ist in der Eegel reichhch entwickelt. Seidel wies durch locale Messungen nach, dass die Wärmepro- duction über den pseudohypertrophischen Muskeln eine geringere war, als über gesunden Muskeln und bei normalen Menschen. Die Kranken selbst klagen häufig über Kältegefühl in den erkrankten Extremitäten (Griesinger). Ord fand die Unterschenkel um 1^ kälter als die Ober-