Volume 1

Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie : für Ärzte und Studierende / von Ernst Ziegler.

  • Ziegler, Ernst, 1849-1905.
Date:
1905-1906
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Credit: Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie : für Ärzte und Studierende / von Ernst Ziegler. Source: Wellcome Collection.

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    Einleitung, Das Leben eines Organismus läßt sich nur aus Lebensäußerungen oder Lebenstätigkeiten desselben erschließen. Die Kenntnis dieser Lebenstätigkeiten vermittelt uns die Physiologie, die Lehre von dem normalen oder gesunden Leben. Sie zeigt uns zugleich, daß die Lebens¬ funktionen sich in gesetzmäßiger Weise, die in dem Bau des Organismus begründet ist, vollziehen. Veränderungen des Organismus, die ihren Ausdruck in irgend welchen von der Norm abweichenden Lebenserscheinungen finden, führen zu Krankheit oder krankem Leben. Rückkehr der krankhaften Lebenserscheinungen zu der Norm betrachten wir als Zeichen der Gfenesung oder Heilung. Dauernde Aufhebung aller Lebensfunktionen führt zum Tode, Temporäre Unterbrechung der Lebenstätigkeit mit Erhaltung der Mög¬ lichkeit der Rückkehr derselben stellt einen Zustand des Scheintodes oder der Erstarrung dar, dem entweder der Tod oder die Rückkehr zum Leben, die Anabiose, nachfolgt. Bestehen vor dem Beginn oder nach dem Aufhören krankhafter Lebenserscheinungen Gewebsveränderungen, welche die Möglichkeit des Eintritts krankhafter Symptome bedingen, so bezeichnet man die Krank¬ heit als latent. Die Pathologie umfaßt die gesamte Lehre vom kranken Leben. In erster Linie fällt ihr die Aufgabe zu, die Ursachen fest¬ zustellen, welche es bewirken, daß krankhafte Lebens¬ äußerungen sich einstellen. Dies ist die Lehre von der Aetio- lo gie und der Genese der Krankheiten. Eine zweite Aufgabe ist ihr in der Erforschung der anatomischen Veränderungen, welche den krankhaften Funktionen zu Grunde liegen, gegeben. Sie bildet das Arbeitsgebiet der pathologischen Anatomie oder anato¬ mischen Pathologie. Da der Bau und die feinere Organisation der einzelnen Gewebe maßgebend für deren Funktion sind, und wir Lebens¬ äußerungen ohne ein materielles Substrat uns nicht denken können, so müssen den krankhaften Lebenserscheinung auch materielle Ver¬ änderungen der betreffenden Gewebe zu Grunde liegen, und es zeigt auch die Erfahrung, daß bei pathologischer Funktion eines Gewebes sich meistens auch Veränderungen desselben nachweisen lassen, welche teils schon makroskopisch erkennbar sind, teils erst mit dem Mikroskop und mit Hilfe besonderer histologischen Untersuchungsmethoden sich nachweisen lassen. 1*