Ueber eine neue Untersuchungsmethode des Centralorgans speciell zur Feststellung der Localisation der Nervenzellen : Vortrag gehalten bei der Versammlung der südwestdeutschen Neurologen und Irrenärzte in Baden-Baden am 3. Juni 1894 / von Franz Nissl.

  • Nissl, Franz, 1860-1919.
Date:
1894
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Ueber eine neue Untersuchungsmethode des Centralorgans speciell zur Feststellung der Localisation der Nervenzellen : Vortrag gehalten bei der Versammlung der südwestdeutschen Neurologen und Irrenärzte in Baden-Baden am 3. Juni 1894 / von Franz Nissl. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by King’s College London. The original may be consulted at King’s College London.

    4/12 (page 2)
    Denn bei der Gudden'schen Methode haben sich von allen Seiten her die gesund gebliebenen Oculomotoriuskerntheile gegen die Lücke des atro. phisch gewordenen Theiles hin verschoben und schon dadurch ist es, ins. besondere wenn es sich nur um wenige Nervenzellen handelt, oft geradezu unmöglich, die Stelle genau festzustellen, auf der sich die entsprechenden Zellen befunden haben, ganz abgesehen davon, dass es schwierig ist, di» Schnittfläche so anzulegen, dass beide Hälften völlig correspondiren. Beim Marchi'scheu Präparat ist zu erwägen, dass mit dem Aufhören der Markscheiden überhaupt jedes weitere Vordringen ausgeschlossen ist, dass das vereinzelte Auftreten der schwarzen Degenerationskügelchen keine Garantie für die Sicherheit der Deutung des Befundes giebt und dass Degenerationserscheinungen an den Nervenzellen in derartigen Präparaten nicht mit Sicherheit nachzuweisen sind. (Bregmann). Allerdings könnte man noch die Methode der secundären Degeneration anführen mit dem Hinweise darauf, dass z. B. die Oertlichkeitsverhältnisse der Nervenzellen für die Daumenballenmuskulatur im Rückenmark bereits festgestellt sind, dass auch durch die Rückenmarksuntersuchungen von im Vorderarm An putirten über den Sitz der entsprechenden Nervenzellen genauere Angaben gewonnen wuiden und dass über die Localisati-ans- verhältnisse der Ganglienzellengruppen in der Lendenanschwellung Mit- theilungen vorliegen. Hiergegen ist einzuwenden, dass einmal die Ergebnisse der secundären Degenerationsmethode nicht übereinstimmen und andrerseits sich im Wesentlichen nur auf die grossen Nervenzellen der Vorderhörner beschränken, davon gar nicht zu reden, dass die Angaben hinsichtlich der Localisa'.ionsbestimmungen der grossen Nervenzellen der Vorderhörner keinen Anspruch auf grosse Genauigkeit machen können. Bei der Amputation des Vorderarms z. B. sind auch dessen sensible Nerven mit entfernt worden, dem;n doch ebenfalls Nervenzellen entsprechen müssen. Ueber den Sitz dieser erfahren wir nichts, gar nicht zu reden von den Spinalganglienzellen, die auch mit dem entfernten Gliede irgendwie in Zusammenhang stehen. Dazu kommt, dass die Methode der secundären Degeneration in der Regel in Verbindung mit der Chromsalzhärtung ausgeführt wird und dass der Gebrauch des Chromsalzes an und für sich schon, wie ich bereits vor Jahren nachgewiesen habe, eine genauere Feststellung der Localisations- verhältnisse der Nervenzellen ausschliesst. Aber auch angenommen, dass die Methode der secundären Degeneration in Zusammenhang mit einer guteu Nervenzellendarstellungsmethode in An- Wendung gebracht wird, so sind die Ergebnisse trotz allem mit der aller- grössten Vorsicht aufzunehmen. Ich weise auf folgende wichtige Umstände hin, die in Betracht gezogen werden müssen. Es steht fest, dass jene Zellform, die wir in den motorischen Kernen und in den Vorderhörnern des Rückenmarks finden, einer regressiven Ver- änderung anheimfällt, sobald die Verbindung zwischen Nerven- und Muskel- zelle unterbrochen wird, dass diese Veränderung stürmisch1) einsetzt und *) Der Process setzt meist an einer Stelle der Peripherie der Zelle (am Nerven- fortsatzhügel dieser Zellen; damit ist nämlich jene sanfte Hervorwölbung von sich nichtfärbender Substanz gemeint, aus der der Nervenfortsatz entspringt) ein und äussert sich hauptsächlich an den färbbaren Substanzportionen des Zellleibes darin, dass die- selben unter einer feinkörnigen Umwandlung rareficiren, wobei der Kern die Tendenz zeigt, ganz an die Peripherie der Zelle zu rücken.