Die Melancholie : eine klinische Studie / von R. von Krafft-Ebing.

  • Krafft-Ebing, R. von (Richard), 1840-1902.
Date:
1874
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Credit: Die Melancholie : eine klinische Studie / von R. von Krafft-Ebing. Source: Wellcome Collection.

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    den Laien und im socialen Leben in der Regel als Lau¬ nenhaftigkeit und üble Charaktere missdeutet. Bei erbli¬ cher Belastung scheint die Gemüthskrankheit auch ohne Dazwischenkunft einer accidentellen Ursache sich entwickeln zu können und dann schon vor Eintritt der Pubertät Symp¬ tome zu machen. Es findet sich klinisch eine habituelle üble Laune, ein stehender depressiver Affekt, der sich in Reizbarkeit, Un¬ zufriedenheit, Zank- und Schmähsucht, Neigung zu übler Behandlung der Umgebung kundgibt. Das Vorstellen der¬ artiger Patienten, die häufig genug für boshafte, zänkische Weiber, eifersüchtige Gattinen, herzlose, grausame Mütter (misopedie, Boileau de Castelneau) gehalten werden, ist beständig in den Zwang des schmerzlichen Fühlens gebannt; es besteht bei ihnen ein beständiger schmerzlicher Repro- ductionszwang, ihre psychische Dys- und Anaesthesie liefert ihnen nur widrige Eindrücke aus der Aussenwelt, sie sehen nur die Schattenseiten des Lebens und reagiren demgemäss in hämischer, feindlicher Weise gegen die Umgebung. Dass es sich bei derartigen Individuen nicht um blosse Charak¬ terfehler, sondern um eine bedauernswerthe Krankheit han¬ delt, beweist der exacerbirende und remittirende Krankheits¬ verlauf, das jeweilig stärkere Hervortreten der Symptome zur Zeit der Menstruation, die Klage der Kranken in freieren Zeiten, dass sie wider besseres Wissen undAVollen sich so negirend verhalten müssen, das temporäre Uebergehcn des Leidens in ausgesprochenes, melancholisches Irresein durch Hinzutreten von Angstzufällen und Delirien, endlich das integrirende Mitgehen neuropathischer Symptomencomplexe mit den Paroxysmen scheinbarer böser Laune und Gereizt¬ heit. Die Prognose der Melancholia sine delirio ist eine gün¬ stige wenn sie nur den Charakter einer intercurrirenden temporären Störung hat. Sie kann sich rasch wieder zu-