Pathologische Physiologie / von Ludolf Krehl.

Krehl, Ludolf, 1861-1937.

Date:: 1932

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Credit: Pathologische Physiologie / von Ludolf Krehl. Source: Wellcome Collection.

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die zu den schwierigsten gehört, wurde eben nicht ruhig untersucht, sondern vielfach dogmatisch statuiert. Die Vorgänge, die dem Kranksein zugrunde liegen, sind Lebensvorgänge, sie gehören also mit dem, was wir normales Leben zu nennen pflegen, imtrennbar, ja ohne jede scharfe Grenze zusammen. Denn ob ein bestimmter Prozeß zum einen oder andern gerechnet wird, hängt für die Theorie nur ab von der Form, den Grundsätzen und den Absichten der mensch¬ lichen Betrachtung, ist also durchaus konventioneller Natur, ist Sache der Defi¬ nition der Krankheit. Der Mensch lebt, wirkt und schafft inmitten einer Umwelt, auf die er tausend¬ fache Einwirkungen ausübt, und von der er tausendfache Einwirkungen erfährt in jeder Sekunde seines Lebens. Die Art, wie sich diese Einwirkungen in seinen Verrichtungen und seinem Zustand äußern, charakterisieren sein Leben. Dieses Gegenverhältnis zur Außenwelt ist nun bei dem Menschen etwas äußerst Verwickeltes. Es ist gewiß dadurch charakterisiert, wie, ich möchte sagen, das rein Naturhafte im Menschen reagiert. Aber doch nur auf der einen Seite rein passiv reagiert. Denn hier kommt doch schon, untrennbar mit dem Körper¬ lichen verbunden, — nur die unlösliche Vereinigung beider charakterisiert ja den einzelnen Menschen — das Seelische hinzu. Seine Reaktion auf die Ereignisse der Umwelt ist in weitem Ausmaß davon abhängig, wie der Mensch reagieren will. Das schon hat er, natürlich innerhalb von Grenzen, in der Hand. Und wenn wir dann noch dazu nehmen, daß er bewußt und unbewußt, jedenfalls seelisch, seinen Körper und seine Verrichtungen beeinflussen kann, daß es doch in mehr als einer Hinsicht von seinem Willen, seinen Anschauungen, seinen Gewohnheiten, also wiederum von seinen seelischen Fähigkeiten abhängt, ob er sich bestimmten Umständen der Umwelt aussetzt und wie er das tut, so ermessen wir die enorme Verwicklung dieser Verhältnisse. Dem entspricht auch die Klassifizierung oder Rangierung der Krankheits¬ ursachen. Wir brauchen auf die erkenntnistheoretische Erörterung über Haupt- und Nebenursachen, über zureichenden Grund und über die Ersetzung des Ursachenbegriffs durch den Konditionalismus nicht einzugehen, denn hier kommt es nur auf eine Schilderung der Tatsachen an. Für jeden, der ärztlich zu tun hat, erweisen diese aber, daß die Entstehung eines Krankheitszustands, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, kaum je eindeutig von einem Gesichtspunkt aus zu erklären ist. Selbst in den verhältnismäßig klaren Fällen äußerer Krankheitsursachen kommt es immer auf verwickelte Verhältnisse ihrer Beziehung zum Organismus an — es sei denn z. B., daß ein zusammen¬ stürzendes Haus einen Menschen zertrümmert oder verletzt. Das ganz Gewöhn¬ liche ist für den Kranken vielmehr: das Zusammentreffen bestimmter Umstände hat den bestimmten Ablauf bestimmter Vorgänge in seinem Organismus zur Folge. Zu diesen gehören die krankhaften. Die Aufgabe unserer Darlegung ist, diese verschiedenen Umstände in ihrer Beziehung zueinander und in ihrer Bedeutung für das, was geschieht, sorgfältig abzuwägen.