Atlas und Grundriss der allgemeinen Diagnostik und Therapie der Nervenkrankeiten / von W. Seiffer ; Mit einem Vorwort von Prof. Jolly.

  • Seiffer, Friedrich Wilhelm, 1872-
Date:
1902
Catalogue details

Licence: In copyright

Credit: Atlas und Grundriss der allgemeinen Diagnostik und Therapie der Nervenkrankeiten / von W. Seiffer ; Mit einem Vorwort von Prof. Jolly. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by The University of Leeds Library. The original may be consulted at The University of Leeds Library.

    31/472 (page 11)
    pt-riplieren Xeiirons, d. h. also von der niotorischca (laiii^lienzelle des \'orderhorns (oder der iVIedulla oblon- trata) an gerechnet bis zum Austritt der Nervenwurzel aus dem Zentralorgan. Auf dieser Strecke sind auch die Uebergangsformen zwischen peripheren und zen- tralen Lähmungen lokalisiert (s. Fig. 3 bei 2). Sind nur die CJanglienzellen des \'üi-dcrhorns von der Läsion betroffen, so haben wir es mit einem Typus der zentralen Lähmung zu thun: der reinen Vorderhornerkrankung. Ihr häufigster Vertreter ist die sogenannte essentielle oder spinale Kinderlähmung, welche anatomisch als Poliomyelitis anterior acuta bezeichnet wird (l'all 1 in dem Schema der Figur 3). In dem ganz anologen Fall der isolierten Ganglicnerkrankung der Hirnnervenkerne in der Medulla oblongata spricht man von Bulbärparalyse*). Sitzt aber die Läsioix an der Nervenwurzel oder in der Gegend der Plexusbildung, welch letztere freilich nur einem Teil der Rückenmarksnerven, nicht den (iehirnncrven eigentümlich ist, so ist die Lähmung eine periphere, obwohl sie im wesentlichen dieselben Merkmale zeigt wie die \'orderhorncrkrankung. Die Differentialdiagnose zwischen beiden stützt sich in solchen Fällen auf gewisse klinische Merkmale des Beginns der Erkrankung und auf die Gruppierung der gelähmten Muskeln: in dem Falle 1 bei Poliomyelitis sind Muskelgruppen gelähmt, welche den vollen Innervationsbezirk einer oder mehrerer bestimmter Wurzeln nicht auszumachen brauchen; denn in den \'orderhörnern besteht keine segmentale Anordnung der motorischen Ganglienzellen, keine Zusammenfassung zu bestimmten Funktions- gruppen, wie dies mit der W'urzelbildung bereits geschehen ist. In dem Falle 3 dagegen ist eine Gruppe von Muskeln gelähmt, welche einen Wurzelbezirk repräsentiert (extraspinale Wurzel- läsion). Aehnlich, wenn auch nicht so ganz rein radiculär, würde sich die Lähmung im Fall 2 verhalten (intraspinale Wurzelläsion). Sitzt die Läsion peripher von der Verschmelzung der hinteren mit der vorderen Wurzel, so gesellen sich zu der motorischen Wurzel- lähmung sensible Störungen (3b, 4, 5). Sitzt sie in der Gegend der Plexusbildung (Fig. 3, Fall 4), so ist die Gruppierung der gelähmten Muskeln zwar auch wieder eine ganz bestimmte, typische, aber in dem Ausfallsgebiet sind verschiedene motorische Wurzel- bezirke mehr oder weniger vollständig wiederzuerkennen. Erst nach der Auflösung des Plexus in die einzelnen peripheren Nerven- stämme vermag eine Läsion an letzteren das charakteristische Bild einer echten peripheren Lähmung hervorzurufen. Diese Deduktion ist nicht rein theoretisch, sie entspringt den Thatsachen der Praxis, welche uns die Wurzellähmungen, die Plexuslähmungen und die Lähmungen der peripheren Nerven häufig genug wohl charakterisiert vor Augen führt. ♦l Mcflulla oblorifata = Jiulbus des Rückenmarks, Bulbus rhachiticus.