Medicinisches aus der Geschichte / / von Dr Hermann Vierordt, Professor de Medizin an de Universität Tübingen.

  • Vierordt, Hermann, 1853-1943.
Date:
1910
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Credit: Medicinisches aus der Geschichte / / von Dr Hermann Vierordt, Professor de Medizin an de Universität Tübingen. Source: Wellcome Collection.

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    meinen, ist es aber sicherlich nicht gewesen. Mit dem 42. Lebens- jahre beginnen Störungen von seiten des Herzens und des Gefäss- systems sich zu zeigen, wobei ja der Alkohohsmus mitgesprochen haben mag. Möbius findet die Wirkung der von ihm angenom- menen »Dementia« darin, dass eben in etwa 10 Jahren die unleug- bar vorhandene Dichterkraft zerstört wurde und dass sie lediglich einen zwar nicht gewöhnlichen, aber doch weiter nicht hervor- ragenden Mann übrig gelassen hat. Friedrich Hölderlins (1770—1843), des unglücklichen Dichters, auch psychiatrisch interessanter Fall mag hier einge- reiht sein, um so mehr, als er neuerdings durch Wilhelm Lange ^) eine zusammenfassende und abschliessende Bearbeitung erfahren hat. Lange kommt im wesentlichen zu demselben Ergebnis, wie vor einigen Jahren C. F. van Vleuten^), nämlich dass es sich bei Hölderlin um eine Dementia praecox catatonica^) gehandelt habe, dass er, aus psychopathischer, gleiche und andersartige Psy- chosen aufweisender Familie stammend, schon frühe Verstim- mungen und stärkere »psychopathische« Depression bereits 1795 gezeigt habe. 1800 war die Geisteskrankheit deutlicher, nun- mehr, sicherlich seit 1802, auch in seinen Werken bemerkbar. Die erste katatonische Erregung ist in den Juni 1802 (vorher die Flucht aus Bordeaux!) zu setzen, 1806 folgte eine letzte starke tobsuchtartige Erregung, von da an, seit 1807, konnte er bis zu seinem Tode (an Brustfellentzündung) in Familienpflege bei einem Tischlermeister in Tübingen bleiben. 1814 war das Endstadium der Psychose, der Verblödungszustand, erreicht; die Erregung auf motorischem Gebiet (SprachVerwirrtheit, Wortneubildung, »Selbstgespräche«, Bewegungsdrang, krampfhafte Bewegungen im Gesicht, an den Fingern), Interesselosigkeit, auch Anfälle von Gereiztheit, Negativismus sind die wesentlichen Züge, so dass die 1) Hölderlin. Eine Pathographie. Stuttgart 1909, Mit 12 Schriftpro- ben und einer Stammtafel. 2) Die Geistesstörung Friedrich Hölderlins. Die Nation. 23. Jahrgang, Berlin 1909 Nr. 40 (7. Juli). 3) Die Skizzierung der Katatonie und die verschiedenen Urteile über Hölderlins Geisteskrankheit s. bei Lange p. 164 ff. Vierordt, Medizinisches. 3. Auflage. 12