Die Entstehungsursachen der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 : auf Grund der für die Verhandlungen des Gelsenkirchener Prozesses erstatteten Sachverständigen-Gutachten dargestellt / von Rudolf Emmerich und Friedrich Wolter.

  • Emmerich, Rudolf, 1852-1914.
Date:
1909-1910
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Credit: Die Entstehungsursachen der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 : auf Grund der für die Verhandlungen des Gelsenkirchener Prozesses erstatteten Sachverständigen-Gutachten dargestellt / von Rudolf Emmerich und Friedrich Wolter. Source: Wellcome Collection.

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    Eine merkwürdige Erscheinung im Emschertale auf der in Rede stehenden Strecke zeigt sich in dem Mangel eines einheitlichen Flußlaufes: es bestehen fast überall in weiter Ausdehnung parallele Wasseradern Keineswegs ist dieses Vorkommen ein Zeichen der sorgfältigeren Entwässerung und Vorflutbeschafi'ung, wie man vielleicht vermuten sollte, sondern es ist lediglich eine Illustration der Versumpfung und des Vorflutmangels. Trotz aller Regulierungen und Verbesserungen trägt das in Rede stehende Terrain auch heute noch den Charakter der Versumpfung, welche vor einem halben Jahrhundert allerdings weit hochgradiger, aber trotzdem weniger gefährlich war, weil die Gegend sozusagen unbewohnt war; nachdem sich aber Ansiedelungen in städtischer Art mitten in den Sümpfen etabliert haben und dazu mehrfach gerade die bedrohtesten Stellen aufgesucht sind, kann unmöglich verkannt werden, daß für die Bewohner in sanitärer Beziehung die gefahrdrohendsten Zustände vorliegen. Gewiß ist diese Lage und Gefahr nicht überall gleichmäßig. (Vergl. das BREMEsche Gutachten.) Im bisherigen Verlaufe unserer Betrachtung haben wir gesehen, wie sehr diese ver- schiedenen Feuchtigkeitszustände des Bodens die Typhusfrequenz beeinflußt haben: wir finden dieselbe am geringsten auf dem Höhengelände der gefällereichen Abdachung des Haarstranges, am höchsten in den städtischen Ansiedelungen, welche sich in den sumpfigen Teilen der Emscherniederung etabliert haben, nachdem eine gewisse Trockenlegung des sumpfigen Terrains stattgefunden hatte; und gemildert finden wir die Typhusfrequenz in den Bezirken am linken resp. rechten Ufer der großen Emscher, entsprechend dem hier vorhandenen Wasserhochstande im Boden. Ferner erklärt der durchweg hohe Wasserstand im Boden die in Ansehung der sonstigen Bodenverhältnisse in gewöhnlichen Zeiten verhältnismäßig geringe Typhusfrequenz des Seuchengebietes und das Epidemisieren der Seuche nur in Zeiten, wo eine hochgradige Austrocknung der oberen Bodenschichten eingetreten ist. Wenn wir nun in bezug auf das dritte Erfordernis der örtlichen Disposition, nämlich die Bodenverunreinigung, das Seuchengebiet im allgemeinen betrachten, so ergibt sich, genau entsprechend der Verschiedenheit der Typhusfrequenz, zwischen den von der Epidemie ergriffenen und den in auffallender Weise verschonten Teilen ein ganz außerordentlicher Unterschied. Die epidemisch ergriffenen Teile des Seuchengebietes sind nämlich ausgezeichnet durch eine ganz exorbitante Bodenverunreinigung, wie sie aus dem Fehlen jeglicher wirklich wirksamen (d, h. bodenreinigenden) Kanalisation und einer ganz ungenügenden Beseitigung der Fäkalien und Abwässer resultiert, und bei den prekären Vorflutverhältnissen des Emscher- tales und einer ganz außerordentlichen und rapid gestiegenen Besiedelungsdichtigkeit die höchsten Grade erreicht; es sei hier verwiesen auf die Schilderung der Bodenverhältnisse des Seuchengebietes in den Gutachten des Herrn Provinzialwiesenbaumeisters Breme und des Herrn Professor Dr. Emmerich, aus denen sich ergibt, daß nur im südlichen Teile von Gelsenkirchen und einem kleinen Teile von Ockendorf überhaupt eine Kanalisation besteht, der aber bei den Vorflutverhältnissen eine bodenreinigende Wirkung nicht zuzuschreiben ist. Breme sagt darüber wörtlich: „Die seither ausgeführten Regulierungen der Vorfluter haben an keiner Stelle seither einen Grad erreicht, daß unterirdische Kanalisationen von bewohntem Gelände in hygienischer Beziehung ordnungsmäßig ausgeführt werden konnten. Im Gegensatze zu diesen epidemisch ergriffenen Teilen des Seuchengebietes finden wir in den von der Epidemie in auffallender Weise verschonten, mehr ländlich gelegenen Teilen eine sehr viel geringere Bodenverunreinigung, indem bei der sehr viel geringeren Besiedelungsdichtigkeit, bei sorgfältigerer Düngerverwertung und Bodenkultur, sowie bei dem Einflüsse der Vegetation, die in jenen anderen Teilen ganz fehlt, schädliche Anhäufungen fäulnisfähiger Substanzen im Boden sich nicht bilden können. „Der Typhus ist viel häufiger in großen Menschenkomplexen als auf dem platten Lande'', sagt Griesinger in seinem klassischen Handbuche der Infektionskrankheiten (S. 122). „So