Die Entstehungsursachen der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 : auf Grund der für die Verhandlungen des Gelsenkirchener Prozesses erstatteten Sachverständigen-Gutachten dargestellt / von Rudolf Emmerich und Friedrich Wolter.

  • Emmerich, Rudolf, 1852-1914.
Date:
1909-1910
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Credit: Die Entstehungsursachen der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 : auf Grund der für die Verhandlungen des Gelsenkirchener Prozesses erstatteten Sachverständigen-Gutachten dargestellt / von Rudolf Emmerich und Friedrich Wolter. Source: Wellcome Collection.

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    gemessenen atmosphärischen Niederschläge vergleichen, um zu entscheiden, oh die Epidemie wirklich in eine sehr regenarme Zeit, also in eine Periode großer Bodentrockenheit fällt und ob das Erlöschen der Seuche durch den Niedergang starker und anhaltender Regengüsse ver- ursacht wurde, wie es die lokalistische Lehre und das PETTENKOFERSche Gesetz verlangen. Das Grundwasser ist ja für uns lediglich ein Maßstab für die Bodentrockenheit oder Bodenfeuchtigkeit, ein sichtbarer Zeiger für den zeitlichen Rhythmus in der Aufeinanderfolge und Dauer der Feuchtigkeitszustände der über dem Grundwasser liegenden porösen Boden- schichte. Das Grundwasser ist also, wie Pettenkofer sagt, an und für sich das unschuldigste Ding von der Welt, es verursacht weder Typhus noch Cholera und bringt dieselben auch nicht zum Erlöschen. Das Grundwasser hat nur die einzige Bedeutung, daß es ein Maßstab oder Zeiger ist, welcher den Wechsel der Bodenfeuchtigkeit infolge von Trockenheit, Regen, sonstiger Bewässerung und Verdunstung anzeigt. Wir haben nun nur noch die wichtige Frage zu beantworten: wie sind die Feuchtigkeits- zustände im porösen Boden einerseits, wenn infolge fortdauernder reichlicher Niederschläge das Grundwasser fortgesetzt steigt, und anderseits, wenn in einer längeren regenarmen, trockenen Zeit das Grundwasser in fortdauerndem Sinken begriffen ist? Die Beantwortung dieser Frage wird uns Klarheit darüber verschaffen, weshalb die Typhusepidemien bei uns in regenarmen, bodentrockenen Zeiten und bei sinkendem Grundwasser beginnen. Ich kann Ihnen diese Verhältnisse an einem einfachen, leicht verständlichen Experiment demonstrieren. Ich habe in eine 3 cm weite und 30 cm lange Glasröhre Boden aus dem 1901 stark von Typhus heimgesuchten Hause Nr. 14 der Sedanstraße in Schalke eingefüllt und eingestampft, damit er annähernd ebenso fest gelagert ist wie im natürlichen Erdreich. Diese Bodensäule stelle ich in ein Glaskölbchen, dessen Boden die wasserundurchlässige Bodenschichte darstellt, auf welcher sich das Grundwasser sammelt. (Versuch I.) Das Wasser in dem Glaskölbchen stellt das Grundwasser dar. Genau in derselben Weise habe ich einen zweiten Versuch vorbereitet. Wir wollen nun annehmen, es hätte seit einiger Zeit stark geregnet und der Regen dauere fort. Infolge des Regens ist der Boden in Versuchsanordnung I völlig mit Wasser durchtränkt. Wenn ich nun auf diesen schon durchnäßten Boden weiter regnen lasse, z. B. 15 mm, eine Menge, die es oft in Gelsenkirchen regnet, so macht dies für die 7 qcm große Oberfläche dieser Bodensäule 10,5 ccm aus. Gieße ich also diese 10,5 ccm Regenwasser auf den Boden, so tritt, wie Sie gleich beobachten werden, genau die gleiche Menge Wasser aus dem Boden ins Grundwasser, und infolge davon steigt das Grundwasser. Sie sehen also, daß bei fortgesetzt steigendem Grundwasser der Boden vollkommen mit Wasser durchtränkt ist. Während der lufttrockene Boden mehr als ein Drittel seines Volumens Luft enthält, ist nun alle Luft aus demselben durch Wasser verdrängt, alle Zwischenräume zwischen den Boden- körnchen, die sogenannten Bodenporen sind mit Wasser ausgefüllt und es fließt bei fortgesetztem Regen sogar Wasser aus dem Boden in das Grundwasser, welches daher fortgesetzt steigt. Diese Feuchtigkeitsverhältnisse des Bodens bei steigendem Grundwasser sind für das Wachstum und die Vermehrung der im Boden etwa enthaltenen Typhusbazillen höchst ungünstig, ja so ungünstig, daß sich dieselben nicht nur nicht vermehren, sondern an der Boden- oberfläche fortgesetzt an Zahl abnehmen und schließlich ganz verschwinden; denn der Regen schwemmt die Typhusbazillen von der Bodenoberfläche in die Tiefe des Bodens, wo sie unschädlich sind. Ein Regen von 40 mm verminderte nach Versuchen von Dr. Gemünd und Emmerich die Zahl der Typhusbazillen von 6 Millionen auf 23000 pro 100 mg Boden. Weiterhin werden die Nährstoffe für Bakterien, welche in jedem verunreinigten Boden enthalten sind, durch das Regenwasser verdünnt und ebenfalls in die Tiefe des Bodens