Innere Sekretion : ihre physiologischen Grundlagen und ihre Bedeutung für die Pathologie / von Artur Biedl.

  • Biedl, Artur, 1869-1933.
Date:
1910
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Innere Sekretion : ihre physiologischen Grundlagen und ihre Bedeutung für die Pathologie / von Artur Biedl. Source: Wellcome Collection.

    31/562 (page 15)
    similationsbeschränkung ebenso leicht verständlich, wie das Einsetzen von Tätigkeiten bei den entgegengesetzten Vorgängen in der lebenden Substanz. Der englische Physiologe W. Gaskeil hat schon vor einer Reihe von Jahren darauf hingewiesen, daß die als Schulbeispiel der Hemmung dienende Wirkung des Herzvagus unter der Annahme einer assimilato¬ rischen Aktion dieses Nerven ebensowenig mystisch und unerklärlich ist, wie die Wirkung eines Bewegungsnerven, als dissimilatorisch erregende. Es sprechen in der Tat eine Reihe von Gründen dafür, daß die bei der Vagus¬ reizung im Herzmuskel auftretenden chemischen Veränderungen assimila¬ torischer Art sind. Als solche können angeführt werden: die Zunahme der Kraft und Leistungsfähigkeit des Herzmuskels, seine gebesserte Erregungs¬ leitung nach der Vagusreizung und insbesondere die nachgewiesene positive Stromschwankung, welche im Gegensätze steht zu der bei der Aktion von Bewegungsnerven einsetzenden und als Zeichen der Dissimilation aufge¬ faßten negativen Schwankung. Wir werden somit unter einem hemmenden Hormon einen chemischen Boten verstehen, welcher in einem entfernten Organe den Assimilationsprozeß anregt. Wir werden dann die nach dem Wegfall dieses Hormons einsetzende gesteigerte Tätigkeit (Muskelkrämpfe, Sekre¬ tionen usw.) als Zeichen der nunmehr uneingeschränkt waltenden Dissimi¬ lation betrachten können. Mit der geschilderten Einteilung der Hormone nach ihrer Wirkungs¬ weise ist natürlich bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse nur ein Schema gegeben, in welches die tatsächlichen Daten vielfach erst einge¬ tragen werden müssen. Die letzteren sind leider noch sehr spärlich und nach mancher Richtung der Korrektur bedürftig. Ursprung der Hormone. Ein anderer Gesichtspunkt für die Gruppierung der inneren Sekrete berücksichtigt deren Abstammung. Es wäre danach eine Scheidung zu vollziehen zwischen solchen Produkten des Chemismus der Organe, welche nur als Endglieder der Zersetzungsvorgänge, als Abbau- oder Neben¬ produkte und Schlacken des Organstoffwechsels anzusehen sind, und solchen Stoffen, welche durch synthetische Prozesse gebildet werden. Nur die letzteren als echte Hormone ansprechen zu wollen, ist aber keineswegs angängig. Denn in zahlreichen Fällen sind es gerade die bei jeder Zelltätig¬ keit sich bildenden Zersetzungsprodukte, welche jene Reizstoffe dar¬ stellen, durch welche nicht nur die Funktion der betreffenden Zellen, sondern auch entfernter Gewebe ausgelöst wird. Diejenigen Tätigkeitsäußerungen, welche man als Folgen einer automatischen Reizung der nervösen Zentralorgane betrachtet, sind nicht automatisch, sondern durch Stoffwechselprodukte der Zellen, durch das gemeinsame Erzeugnis der Lebensvorgänge im Protoplasma aus¬ gelöste Effekte. So sind beispielsweise bei der Erstickung die Ver¬ änderungen der Atmung und der Herztätigkeit, die Krämpfe der will¬ kürlichen Muskeln und die tonische Kontraktion der Gefäßmuskulatur nur Reizfolgen der im Überschüsse kreisenden, weil nicht entfernten Zersetzungs¬ produkte des Stoffwechsels. Auch die Regulation der normalen Atmung