Einige neue Fälle von Myositis ossificans progressiva / mitgetheilt von Gyula Pintér.

  • Pintér, Gyula.
Date:
[1883?]
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Credit: Einige neue Fälle von Myositis ossificans progressiva / mitgetheilt von Gyula Pintér. Source: Wellcome Collection.

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    Beweglichkeit ihrer Kiefergelenke, welche Patientin auch im Sprechen erheblich störte. Besonders aber wurde ihr so das Essen wesentlich erschwert; sie half sich auf die Weise, dass sie den Teller in gleiches Niveau mit dem Munde bringen liess und den Inhalt desselben, während der Teller tiefer und tiefer geneigt wurde, lang- sam schlürfte. Ferner spürte sie, nachdem sie das Bett verlassen hatte, auch Steifig- keit in den Beinen, namentlich im rechten Kniegelenk; auch erschien das rechte Bein kürzer als das linke. Anfangs konnte die Patientin nur mit Hülfe eines Stockes gehen, konnte wohl auch grössere Strecken durchmessen, ermüdete aber ziemlich leicht; später ging sie ohne Stock. Seit jener Zeit war die Patientin in ärztlicher Behandlung, doch v^jurde eine medikamentöse Behandlung nicht eingeleitet. Sie suchte 1878 Heilung auf der Armenklinik in Frankfurt — vergeblich. Sie blieb dort bis 1880, doch wurde weder eine Besserung erzielt, noch trat eine Verschlimmerung ihres Zustandes ein. 1881 entstand ohne Veranlassung eine „schwarze“ Geschwulst am linken Unter- schenkel, die sich spontan öffnete und Eiter entleerte. Das bewog die Patientin im October 1881 zum zweiten Mal im Frankfurter Spital Hülfe zu suchen. Sie blieb dort bis Ostern 1882 und wurde angeblich mit kalten Umschlägen und Salben be- handelt. Während dieser Zeit verschlimmerte sich der Zustand der Patientin trotz der Spitalbehandlung in erheblicher Weise. Das linke Bein wurde ganz steif, die Vorderarme wurden in der jetzt bestehenden Weise fixirt, namentlich aber nahm die Funktionslosigkeit ihrer Kaumuskeln in dem Maasse zu, dass sie die bis dahin ge- übte Methode der Nahrungsaufnahme aufgehen musste; wegen der Unmöglichkeit, den Mund gehörig zu öffnen und zu kauen, musste sie nunmehr mit flüssigen oder ganz erweichten Nahrungsmitteln wie ein Säugling gefüttert werden. Ostern 1882 kehrte die Patientin wieder nach Hause zurück und blieb dort, stets ausser Bett, bis sie durch Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Gerhardt auf die medi- cinische Klinik im Juliusspitale aufgenommen wurde. Seit jener Zeit ist keine Ver- änderung ihres Zustandes, kein Fortschreiten des Processes beobachtet worden. Das Allgemeinbefinden der Patientin war, vop den Attaqueperioden abgesehen, stets ein sehr gutes. Ihr Appetit war stets ebensogut, als ihre Verdauung und ihr Schlaf, Stuhlgang und Harnentleerung war stets normal. Muskelschmerzen, Parästhesien, Hyper- oder Anästhesien waren nie vorhanden; ebensowenig je fibril- läre Muskelzuckungen. Seit 4 Jahren sollen aber zeitweilig, in unregelmässigen Zwischenräumen, Kopfschmerzen in der Frontal- und Temporalgegend aufgetreten sein. Menses will Patientin bis zum Eintritt ins Spital nicht gehabt haben, auch nie Molimina. (Da jedoch die Patientin den Eintritt der Menses erst zugestand, als im Laufe der Beobachtung unwiderlegliche Spuren in der Wäsche dieselben ad oculos demonstrirten, ist es immerhin möglich, dass sich die Menses schon vor längerer Zeit, vielleicht mit dem Auftreten der Kopfschmerzen — also nicht verspätet — ein- gestellt haben). Status am 14. Januar 1883: Patientin ist für ihr Alter auffallend klein und wenig entwickelt. Körperhöhe 149 Ctm., Körpergewicht 36 Kgrm., Hautfarbe blass, Fettpolster mässig entwickelt. Bei der Lage iin Bette ist ihre vollkommen starre Haltung, die an Bewegungslosigkeit der durch Tetanus bewirkten gleicht, besonders auffallend. Bei aufrechter Stellung springen, ausser der statuenhaften Regungslosig- keit des ganzen Körpers, die scharfe Contourirung, die eckige Zeichnung des Schulter- gürtels und der Oberarme, die schiefe, vorgestreckte Haltung des Kopfes, die man- nigfachen, eigenthümlichen Difformitäten des Rückens, die Equino-Valgus-Stellung des rechten Fusses sofort in die Augen. Auch fällt, bei dem zierlichen Bau der Hände und Füsse, eine Difformität beider grosser Zehen, die kleiner als normal er- scheinen, auf.