Funktionelle Behandlung der Skoliose : nebst einem Beitrag zur Kenntnis einiger orthogenetisch-degenerativer Krankheiten / von dr. Rudolf Klapp.

  • Klapp, Rudolf, 1873-1949
Date:
1910
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Credit: Funktionelle Behandlung der Skoliose : nebst einem Beitrag zur Kenntnis einiger orthogenetisch-degenerativer Krankheiten / von dr. Rudolf Klapp. Source: Wellcome Collection.

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    fähigkeit bei Beweglichkeit einer Säule wäre z. B. ein schwieriges technisches Problem, was nur organisch zu lösen ist, und bleibt es auch bei der menschlichen Wirbelsäule. Daher stößt ihre Aequilibrierung auf große Schwierigkeiten und neigt sie zu Ver- biegungen. Ist es nun richtig, daß die Ontogenie eine Wiederholung der Phylogenie ist, daß also die Stammesentwickelung in jedem Kinde in kurzer Zusammendrängung wiederkehrt, so muß sich auch beim Kinde eine Periode finden, welche vor die Zeit des aufrechten Ganges gesetzt wäre und in welcher sich das Kind physiologischerweise als Vierfüßler fortbewegt. Dieser Schluß muß zu Recht bestehen, da die Vorbedingung nicht angezweifelt werden kann. Wenn aber im Leben des Kindes eine physiologische Kriechperiode existiert, so wird sie ihren nützlichen Zweck haben, sie darf deshalb nicht übersprungen werden. Wie steht es nun damit? In den ersten Lebensmonaten nimmt der Säugling meist eine horizontale Ruhelage ein, die Wirbelsäule wird also in keiner Weise beansprucht. Mit einigen Wochen beginnt das Kind den Kopf von der Unterlage zu heben. Kräftige Kinder heben vor allem den Kopf in die Höhe, wenn sie auf dem Bauch liegen. Dabei bildet das neu- gierige Bestreben, alles in der Umgebung zu sehen, eine wichtige Beihilfe. In dieser Zeit wäre es nun grundverkehrt, wenn man das Kind aufrichten und längere Zeit aufsetzen vrollte. Durch zu frühzeitiges Aufsetzen und Umhertragen wird schon in frühester Jugend der Keim zu späteren Verkrümmungen gelegt. Die Plötzlichkeit, mit welcher man der bisher gänzlich arbeitsungewohnten, der Ruhe gewohnten Wirbelsäule die Funktion, die Belastung aufzwingt, wirkt besonders schädlich. Man muß sich da die Frage vorlegen, ob denn die Kinder bei den Naturvölkern auch so sorgsam in den ersten Monaten vor dem Aufsitzen, vor dem Tragen bewahrt bleiben. Das ist nicht der Fall. Wir können es noch häufig bei den Zigeunern beobachten, daß die Weiber ihre kleinen Kinder in einer Art Tragetuch auf dem Rücken tragen. Schadet denn diese Stellung nicht? Ich stimme da Spitzy zu, wenn er die Ansicht ausspricht, diese Völker rechneten mit einer großen Kindersterblichkeit, und die erste Kindheit werde nur von erstklassigem Material überdauert. Die Ent- wickelung in den ersten Lebensmonaten gehe auch schneller vor sich als bei den Kulturrassen.