Ueber einen mit Geistesstörung complicirten Fall von schwerer Hysterie, welcher durch congenitale Anomalien des Centralnervensystems ausgezeichnet war / von E. Siemerling.

  • Siemerling, E.
Date:
[1889?]
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Credit: Ueber einen mit Geistesstörung complicirten Fall von schwerer Hysterie, welcher durch congenitale Anomalien des Centralnervensystems ausgezeichnet war / von E. Siemerling. Source: Wellcome Collection.

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    384 S i e m e r 1 i n g, 28. September. Zum Zwecke der Untersuchung eines peripheren Nerven auf etwaige Degeneration wurde Pat. heute auf der chirurgischen Abtheilung operirt. Die Chloro- fommarcose gelang gut und leicht, Pat. schlief bald ein. Nach vorheriger Blutleere des linken Armes wurde auf der inneren Seite der 1. Phalanx des 4. Fingers ein 5 cm langer Schnitt gemacht. Der Nerv lag dann sogleich frei und es wurde ein etwa 2 cm langes Stück desselben excidirt, alsdann die Wunde gereinigt und durch zwei Catgut- nähte geschlossen. Pat. erwachte aus der Chloroformnarcose und blieb in einem gegen früher sich wenig unterscheidenden apathischen Zustande. Gleich nachdem Pat. wieder auf die Abtheilung zurückgebracht war, fiel es auf, dass sie in einem stuporartigen Zustande sich befand, noch viel apathischer als sonst, auf Fragon, electrischen Pinsel, Stiche etc. gar nicht reagirte; die Wangen geröthet, Schaum vor dem Munde, die Augen geschlossen, die Extremitäten fühlen sich kühl an; paradoxe Reaction war oft vorhanden, oft nicht, ebenso wie früher. Erhob man den Arm, so blieb er selbst in der unbequemsten Stellung stehen. Pat. lies alles, Koth wie Urin, unter sich. Die Respiration war flach und oberflächlich, nirgends abnorme Ge- räusche hörbar; Puls regelmässig, frequent, zwischen 70 und 80, sonst aber kräftig. Die Pupillen waren etwas enger als sonst, reagirten aber sonst gut. Dieser Zustand dauerte 24 Stunden an, dann reagirte Pat. plötzlich wieder auf Fragen, wusste indess nicht, was mit ihr vorgegangen war, behauptete nur fest geschla- fen zu haben, und beim Aufwachen leichte Schmerzen im Arm gefühlt zu haben. Von der Operation wusste sie nichts. Sie hatte Hunger und verlangte zu essen, zeigte sonst dasselbe apathische Verhalten wie früher. 19. December. Pat. machte heute den Wärterinnen harte Vorwürfe über die schlechte Behandlung, die ihr zu Theil werde. Befragt über die Veranlassung ihrer Erregung gab sie an: „Wenn die Wärterinnen schimpfen, dann kann ich nicht ruhig sein, wenn sie sagen, ich würde als Hure in die Zeitung gesetzt, so kann ich mir das nicht gefallen lassen, dann muss ich weinen; ich bin schon traurig und unglücklich genug und da werde ich noch so weggestossen. Wenn das die Wärterinnen noch einmal thun, werde ich keinen Ton mehr reden. 25. December. Pat. wirft sich oft ohne Veranlassung zum Bette hinaus und giebt als Grund eine plötzliche grosse Angst an. 1885. 12. Januar. Die Pafe wackelt seit einigen Tagen Stunden lang bei ruhiger Lage ihres Körpers beständig mit dem Kopf hin und her und pendelt denselben um die Sagittalaxe des Körpers. Pat. liegt heute ganz apathisch da, spricht kein Wort und ist nicht zu bewegen, selbständig Speise und Trank zu sich zu nehmen, so dass d,e Fütterung mit Schlundsonde nothwendig wird. 29 Januar. Nur durch fortgesetzte Drohung der Fütterung lässt sich Pat. zu einiger Nahrungsaufnahme bewegen. Sie wünscht nur reines Wasser. Dazwischen neckt sie etwas: Morgen sei keine Fütterung mehr nothwendig; das könne man mit einer Anderen machen; sie sei Morgen weg. .A . Auch glaubt sie, dass ihr etwas Schädliches ins Wasser gemischt worden sei, denn nach dem Genuss desselben habe sie Trockenheitsgefühl und Brennen im Rächern 4 Februar 1885. Pat. befindet sich immer noch in demselben Zustande. i>io >ssi und trinkt nur, wenn man ihr mit der Fütterung droht, behauptet bald, sie könne nicht essen, bald, man verekele ihr das Essen, bald, man gebe ihr nichts zu essen Wenn man sie füttern will, droht sie, sie wisse schon, was sie dann thue. Auch hat sie, offen