Anleitung zur Brillen-Verordnung für Ärtze und Studirende / von P. Stoewer.

  • Stoewer, P.
Date:
1895
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Anleitung zur Brillen-Verordnung für Ärtze und Studirende / von P. Stoewer. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by UCL Library Services. The original may be consulted at UCL (University College London)

    24/42 (page 22)
    Die herabgesetzte Sehschärfe und die dadurch be- dingte schnellere Ermüdung bei langdauernder Nahearbeit sind die gewöhnlichen Beschwerden, die die Astigmatiker angeben. An die Möglichkeit astigmatischen Baues eines Auges müssen wir stets denken, wenn bei vorgenommener Functions- prüfung auch nach Anwendung sphärischer Gläser normale Sehschärfe nicht erzielt wird und dieser Defect nicht durch sonst vorhandene Veränderungen genügend erklärt wird. Zur Diagnose des Astigmatismus kann man die Thatsache verwenden , daß der am schwächsten und der am stärksten brechende Meridian des Auges auf einander senkrecht stehen. Hält man nämlich dem zu untersuchenden Auge möglichst nahe eine Tafel mit gleichmäßig starken schwarzen Strichen vor, die horizonal und vertical oder noch besser halbkreisförmig an- Fig. 15. geordnet sind (Fig. 15), so werden vom astigmatischen Auge nicht alle Striche deutlich wahrgenommen, son- dern die dem schwächst brechen- den Meridian parallelen erscheinen scharf begrenzt, schwarz, wäh- rend die dem stärkst brechenden Meridian parallelen grau, breiter, verschwommen erscheinen. 1) Man hat so einmal die Diagnose, daß Astigmatismus über- haupt vorhanden ist, und sodann auch, wenigstens im Groben, die Richtung der wichtigen Meridiane. Objectiver bekommt man den Astigmatismus, freilich nur den der Hornhaut durch Anwendung des Keratoskops bestimmt. Die Kreise des Keratoskops erscheinen, wie schon gesagt, nur bei sphärischer Hornhaut wieder als Kreise. Beim regelmäßigen Astigmatismus erhalten wir Ellipsen, aus deren Auftreten wir wiederum mit Sicherheit auf das Bestehen von Hornhautastigma- tismus schließen können. Die Lage des kleinsten Durchmessers der Ellipse ent- spricht dem stärkst brechenden Meridian, weil dieser die Strahlen am meisten zusammenbricht, die des größten dem am schwächsten brechenden (Fig. 17). So hätten wir zwei Methoden, um den Astigmatismus an und für sich und die Richtung der wesentlichen Meridiane zu bestimmen. ') Diese Erscheinung erklärt sich sehr einfach. Ein langer Strich erscheint uns deutlich, wenn seine beiden Lägsseiten (a und b) (Fig. 16) scharf begrenzt sind. Diese Begrenzung wird aber im Netzhautbilde durch diejenigen Strahlen gegeben, welche von senkrecht auf der Längsrichtung der Linie stehenden Meridianen gebrochen werden. ^'ff-1- Werden diese Strahlen auf der Netzhaut punktförmig vereinigt, so sehen wir die Längsseiten scharf be- grenzt , die Querseiten undeutlich. Letzteres kommt aber für die Beurtheilung von Scliwärze und Breite der Linien nicht in Betracht. Da wir das Object nun nahe an das Auge gebracht hatten, so werden die stärker brechenden Meridiane ihre Strahlen gut auf der Netzhaut vereinen und demgemäß auch die auf diesen senkrecht stehenden, dem schwächer brechenden Meridiane parallelen Linien am deutlichsten gesehen werden.