Handbuch der Physiologie des Menschen : Edited by J.von Kries et al.

  • Nagel, Milibald editor.
Date:
1905
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Credit: Handbuch der Physiologie des Menschen : Edited by J.von Kries et al. Source: Wellcome Collection.

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    dieselben Nerven der Haut vermittelt. Diese Nerven teilen sich im Riickenmark in zwei Bahnen, deren eine direkt zu dem Zentrum fiir die Druckempfindungen geht. Eine Reizung der Haut bewirkt also auf diesem Wege eine Beriihrungs- empfindung. Zum Teil wird aber der Reiz auch auf der zweiten Bahn im Riickenmark nach dessen grauer Substanz fortgeleitet und trifft dort auf Zellen, die vorderhand nur in einen veriinderten Reizbarkeitszustand ver- setzt werden. Erst wenn mehrere Reize nacheinander auf diese Weise die Zelle erreicht haben — schon ein einziger mechanischer Hautreiz ruft mehrere solche zentripetalen Nervenerregungen hervpr — wird die angehaufte Energie in Arbeit umgesetzt, und die Zelle sendet nun selbst einen Reiz aus, der auf seinem besonderen Wege das Gehirn erreicht und dort eine Schmerzempfindung hervorruft. Weil also eine Summierung von Reizen in dieser Bahn stattfindet, nannten sie dieselbe die Summierungsbahn. Diese Deutung erklarte nur das Phanomen, dai3 einer primaren Beriihrungs- empfindung nach einem empfindungslosen Intervall eine Schmerzempfindung folgt. Durch die Annahme, dai5 ein einziger Reiz von geniigender Starke imstande ist, durch die Summierungsbahn durchzubrechen, erklaren sie die Tatsache, dafi schon die primare Sensation eine Schmerzempfindung sein kann. Nach- dem die Existenz besonderer Schmerznerven durch die Entdeckung der Schmerzpunkte sehr wahrscheinlich gemacht ist, wird die Deutung dieses Phanomens anders. Das Phanomen einer ersten Beriihrungsempfindung, von einer spatkommen- den Schmerzempfindung begleitet, kann nicht dieselbe Erkliirung wie das Pha- nomen zweier nacheinander folgender Schmerzempfindungen haben. DaB ein momentaner Nadelstich erst eine Druckempfindung, dann eine Schmerz- empfindung gibt, wird durch die groBere Tragheit des Schmerzorgans verursacht, wie V. Frey durch eine Analyse der Resultate zeigte, die man bei Reizung der verschiedenen Sinnespunkte erhalt. Nur wenn ein Druck- und ein Schmerzpunkt nahe aneinander liegen, treten die beiden Empfindungen auf. An frei liegen- den Druckpunkten bekommt man nur die zuerst kommende Druckempfindung, die Stechempfindung aber bleibt aus i). An frei liegenden Schmerzpunkten beobachtet man dagegen nur das Phanomen, daJj bei stiirkerer momentaner Reizung zwei nacheinander kommende Stechempfindungen entstehen, und dies kann in der Weise erklart werden , daC eine gleichzeitige Reizung der Nerven und der Nervenenden stattfindet. Die erste leitet die Erregung augen- blicklich zentralwarts, die letztere erst nach ihrer bestimmten Latenzzeit (Thunberg ^). XI. Die Lokalisation der Hautempfiudimgen Lokalzeichen. Orts- oder Haumsinn. Um eine Hautempfindung, ebenso wie die meisten andereu Empfindungen, eindeutig zu charakterisieren, muJ3 man ihre Qualitat, ihre Intensitiit, ihre Lokalisation und ihre Lage in der Zeit angeben. Man kann dies auch so ausdriicken, daJB die fraglichen Empfindungen nicht nur Qualitat und Intensitiit als feste Eigenschaften oder ^) Leipziger Ahh. 1896, S. 243. — ^) Skand. Arch. f. Physiol. 12, 432, 1901. — ^) Eine eingehende kritisch« Literaturzusammenstellung mit eigenen Untersuchungen liefert V. Heuri, Qber die Riiumwahrnchinuiigeu des Tastsinnes, Berlin 1898.