Handbuch der Physiologie des Menschen : Edited by J.von Kries et al.

  • Nagel, Milibald editor.
Date:
1905
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Credit: Handbuch der Physiologie des Menschen : Edited by J.von Kries et al. Source: Wellcome Collection.

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    lange niclit ao heftig zu sein, wie er etwa bei Durchschneiduug eines ebenso dicken Hautuevveu auftreten wiirde, und riihrt wohl niclit von der Durchschneidung der Sehfasern her, sondern von der Mitverletzung von sensiblen Nervenfasern, die im Sehnerven oder iu seiner Naclibarscbaft liegen. Intensive Reizung der Netzhaut, selbst solche, die bis zur Veruichtung der Gewebe fiihrt (Blicken in die Sonne!) macht keinen Schmerz durcb Opticusreizung. Wenn beim plotzlichen Blick in belles Liclit Blendungsschmerz auftritt, was nicht bei alien Mensclien der Fall ist, beruht dies oft'enbar auf mechaniscber Keizung der sensiblen Ciliarnerven dui-ch die beftige Iriskontraktion, denn bei Lahmung der Iris durcb Homatropiu bleibt der Blendungsscbmerz aus (Nagel')). Bei den iibrigen Sinnesnerven scheint ebenfalls, wie beim N. opticus, Scbmerz durcli beftige Reizung niclit erzielt werden zu konnen, sondern, wenn iiberbaupt eine Empfindung, dann die ibnen spezifische Sinnesempfindung, die unangenehm sein kann, obne scbmerzhaft zu sein. Die eleganteste, ja die einzige wirklich klare Bestatigung fiir das Mullersche Gesetz ergaben die schon erwahnten Versuche an der Chorda tympani in der eroffneten Paukenhohle; mechanische, chemische und elek- trische Reizung des zentralen Stumpfes erzeugt Geschmacksempfindung. Schwierigkeiten bietet indessen wieder die Erklaruug der bei elektriscber Reizung des Geschmacksorgans gefundenen Verhaltnisse. Galvaniscbe Reizung der Zungenscbleiinbaut bewirkt, wie bekannt, bei geeigneter Anordnung (an der Anode) leicbt und sicher saure Empfindung, bei anderer Anordnung (an der Kathode) einen etwas unbestimmten, scharfen, zmveilen etwas bitterlichen Geschmack. Wie kommt es, daB bei elektriscber Reizung, wenigstens der Zungenspitze, niemals SiiBempfindung oder Salzigempfindung auftritt? Meines Erachtens kann dies nur durcb die Annahme erklart w^erden, daij die peripheren Enden der Geschmacksnerven bei der Applikation des elek- trischen Reizes iiberbaupt nicht direkt erregt werden, sondern der „elek- trische Geschmack in chemischer Reizung der Nervenenden oder der Schmeck- zellen durch Elektrolyte begriindet ist. Bei dieser Auffassung bleiben wir auf dem Boden des Gesetzes der spezifischen Energien und konstatieren nur wieder- um eine Besonderheit in der spezifischen Disposition der peripheren Schmeck- nervenendigungen, die geringe Zuganglichkeit fiir den elektrischen Reiz. Dafi auch die fiir SiiJSempfindung spezifisch disponierten Geschmackspapillen auf den galvaniscben Anodenreiz mit Sauerempfindung reagieren, ware eine An- nahme, die das urspriingliche Miillersche Gesetz der spezifischen Sinnesenergien zwar nicht umstofien wiirde, wohl aber unvereinbar mit der Weiterbildung des Gesetzes ware, die die neuere Pbysiologie erstrebt hat und auf die wir alsbald sprechen kommen werden. Eine solche Annahme muC bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse als nicht notwendig bezeichnet wei-den, und wir werden sie ver- meiden, solange es irgend moglich ist. Inadaquate Reizung des Nervenstammes ist bei keinem der hoheren Sinnesnerven so leicht zu erzielen wie bei den Hautsinnesnerven. Darum erscheint es zunachst als eine nicht unbedenkliche Tatsache, daC gerade bei diesen sich der exakten Bestatigung des Miillerschen Gesetzes Schwiei-ig- keiten in den Weg stellen. Es gelingt nicht, nach Belieben Kaltempfindung, Warmempfindung, Beriihrungs- oder Schmerzempfindung von Nervenstammen aus auszulosen. Die Empfindungen tragen bier, wenn sie durch schwache Reize bewirkt sind, den Charakter der durch mechanische Hautreizung er- ') Klinische Monatsblfitter fiir Augenheilkuiide 1902 u. 19ti4.