Leicht abnorme Kinder / von Wilhelm Weygandt.

  • Weygandt, Wilhelm, 1870-1939.
Date:
1905
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Credit: Leicht abnorme Kinder / von Wilhelm Weygandt. Source: Wellcome Collection.

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    sich schon Abweichungen von dem normalen Verhalten linden, wenn wir die Perzeption, die Einreihung des Empfindungs- materials in den Bewusstseinsinhalt betrachten. Diese Assimi- lation bleibt beim Idioten gewöhnlich ganz aus, beim Imbecillen ist sie mangelhaft, beim leicht Abnormen vielfach unvollständig und flüchtig. Wir können uns das am besten durch ein Gleichnis vergegenwärtigen; X)er Idiot steht den Eindrücken der Aussen- weit gegenüber wie wir etwa einer Schrift in chinesischen Zeichen: wir haben wohl den rein sinnlichen Eindruck, aber es knüpft sich weder die Assoziation des Klanges noch gar die der Bedeutung an; der Imbecille empfängt Eindrücke von der Aussenwelt, wie wir beim Lesen eines Schriftstückes in bekannten Lettern, aber einer uns völlig fremden Sprache, etwa portu- giesisch oder ungarisch: die akustische Bedeutung der Wörter erfassen wir wohl, aber von der begrifflichen haben wir keine Ahnung. Dem Debilen würden wir gleichen, wenn wir ein Schriftstück in fremder, doch uns einigermaßen bekannter Sprache lesen oder auch ein deutsches Schriftstück in flüchtiger Weise überblicken: Einige“ Brocken des Inhalts verstehen wir, viel- leicht auch einige Zusammenhänge, während der Sinn des Ganzen uns vielfach und alle Feinheiten jedenfalls verschlossen bleiben. Über unzutreffende Begleitvorstellungen aus anderen Sinnes- gebieten liegen einige auffallende Angaben vor, wenn auch über diese wie andere Fragen des sog. kindlichen Seelenbinnenlebens nicht leicht Sicheres zu erfahren ist. Kussmaul berichtet in seinen Jugenderinnerungen*), wie er als Knabe beim Abendgebete „Ich bin klein, mein Herz ist rein usw.“ stets ein Bübchen leibhaftig vor sich zu sehen glaubte und das Gebet auch trotz mancher Verweise jedesmal mit der Anrede „Biible“ anfing. Sinnestäuschungen kommen wohl als vorübergehende psychopathische Erscheinung auch bei sonst gesunden Kindern in der Zeit körperlicher Krankheit nicht selten vor. Indes bedarf die gelegentlich zu findende Angabe, dass sie bei fieber- haften Krankheiten allgemein auftreten, doch der Präzisierung: in der Literatur finden sich wohl Angaben über deliriöse Zu- stände bei Scharlach, Influenza, Flecktyphus, weniger häufig *) Jugenderinnerungen eines alten Arztes, III. Aufl. Stuttgart 1899. S. 23.