Die Homosexualität des Mannes und des Weibes.

Hirschfeld, Magnus, 1868-1935

Date:: 1920

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Credit: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. Source: Wellcome Collection.

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rus mit Bezug auf Heliogabal und dessen Umgebung zuerst vom „tertium genus hominum“ gesprochen habe, ist hiernach als irrtümlich anzusehen. Im übrigen wird auch dieser Ausdruck wieder verschieden ge¬ braucht, so von E. v. Wolzogen in einer vielgelesenen Novelle58a) als Bezeichnung für emanzipierte Frauen. Für mich selbst ist der Begriff „drittes Geschlecht“ gleichbedeutend mit dem der sexuellen Zwischenstufen oder Geschlechtsübergänge, dem englischen „inter- sexes“: ich verstehe darunter alle vom absoluten Geschlechtstypus stärker abweichenden Zwischenformen, die ich in vier Hauptgruppen einteile: die Hermaphroditen, Androgynen, Homosexuellen und Trans¬ vestiten, je nachdem die Abweichung die eigentlichen Geschlechts¬ organe, die übrigen körperlichen Geschlechtscharaktere, den Ge¬ schlechtstrieb und die sonstigen seelischen Geschlechtsunterschiede betrifft. Früher wurden diese Erscheinungsformen vielfach zusammen¬ geworfen. So sieht K r a'f f t - E b i n g 59) sowohl in der Androgynie und Gynandrie als auch vor allem in der Effemination und Viraginität nur „Entwickelungsstufen der eingeborenen homosexuellen Empfin¬ dung“, heute wissen wir aber auf Grund genauerer Materialkenntnis, daß hier ein fundamentaler Irrtum vorlag, indem zwar die verschiede¬ nen Zwischenformen gemischt Vorkommen können, es aber durch¬ aus nicht immer zutrifft, daß Effeminierte und Yiragines, Weib- mänDer und Mannweiber, geschweige denn Androgyne, homosexuell sind, so wenig wie die Homosexuellen stets effeminiert oder die homo¬ sexuellen Frauen virilisiert sein brauchen. Deshalb sind auch viele Bei¬ worte, mit denen man die Homosexuellen nach allerlei femininen Eigen¬ schaften in alter und neuer Zeit belegte — de Joux60) nennt beispiels¬ weise die Urninge: „Evasöhne“, die Urninden Adamstöchter“ — nicht als ganz zutreffend anzusehen. Das im ganzen spanischen Sprach¬ gebiet für Urninge sehr gebräuchliche Wort maricon (eine Nebenform lautet maricu), bedeutet ebenfalls weibischer Mann. Wie zahlreiche spanische Wörter ist es aus dem Arabischen deriviert und zwar von marikün, das gleichzeitig Elster, Weibling und Kinäde bedeutet. Vergl. damit, daß in Berlin von alters her Strich Jungen vielfach „Raben¬ jungen“ oder „Raben“ genannt wurden. Merkwürdig ist, daß dieser Vogel auch schon jm klassischen Altertum in der Nomenklatur der Homosexualität eine Rolle spielte. Der Historiker Timaios von Tauro- menion (352—256) berichtet nämlich, daß der sikilische Tyrann Aga- thokles, der, aus niederem Stande emporgestiegen, lange Zeit (317—275) gegen die Karthager gekämpft hatte, „in seiner frühesten Jugend ein öffentlicher Bube“ gewesen sei, der sich als „schamlose Dohle“ „jedem zur Verfügung gestellt habe, der ihm in den Weg kam“. Poly¬ bios (XII, 15) bezeichnete diese Vorwürfe allerdings später als stark übertrieben60a). * Den andersgeschlechtlichen Eindruck vieler homosexueller Män¬ ner und Frauen spiegeln namentlich auch die in der Volkssprache be¬ sonders unter den Homosexuellen selbst weit verbreiteten Spottnamen wieder, die bezeichnenderweise von den virileren Homosexuellen meist als für sie unpassend sehr perhorresziert werden, wie das Wort „Tante“, in Deutschland, „Schwester“ in Österreich, „Nichte“ in Holland, „veuve“ und „tante“ in Frankreich, „aunt“ in England; — in Spanien fand ich unter den Handzeichnungen Goyas im Prado-Museum das Bild eines „Maricon“ mit der Beischrift: la tia Ila (tia = Tante) — für die Urnin¬ den sind entsprechende Ausdrücke „Onkel“, „Vater“ im Deutschen, 58a) Ernst von Wolzogen, Das dritte Geschlecht. Mit Buch¬ schmuck von W. Caspari. 1.—20. Tausend. Berlin. 59) v. Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis, p. 240 f. 60) de Joux: die Enterbten des Liebesglücks p. 191.