Volume 1

Die medizinischen und chirurgischen Krankheiten der Haut / von Hans Locher.

  • Locher Hans, 1824-1873.
Date:
1867
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Credit: Die medizinischen und chirurgischen Krankheiten der Haut / von Hans Locher. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by the Royal College of Physicians of Edinburgh. The original may be consulted at the Royal College of Physicians of Edinburgh.

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    Stunden der Andacht oder ein ähnliches Schatzkästlein zum Muster nehmen. Ich g-ehe aber noch einen Schritt weiter. Ich behaupte, dass die hitzigen Hautausschläge gerade den allerunpassendsten Katheder für Ex- pektorationen über hygieinische Texte abgeben. Um Ihnen meine Auf- fassung der fraglichen Verhältnisse mit möglichster Klarheit zu veran- schaulichen, komme ich nochmals auf die frühere Zusammenstellung mit den Geboten der Moral zurück. Denken Sie sich eine Wittwe, welche in Schmerz aufgelöst unter lautem Jammern sich auf die frische Leiche ihres Gatten wirft! Was würden Sie nun von dem Thun eines Geistlichen halten, welcher an die Gramerfüllte herantreten und mit jener Tannin- herbe, welche die weichen, milden Lippen der Theologie unter Umständen so eigenthüralich charakterisirt, zu ihr sprechen wollte: „liebe Schwester im Herrn, du sollst nicht stehlen, auch sollst du nicht schlemmen, noch Wucher treiben! Natürlich soll die arme Verlassene nicht nach diesen Richtungen hin sündigen. Sie soll auch nicht morden, soll ihren Nächsten lieben wie sich selbst u. s. w. Alles das sind Gebote von unvergänglicher Gültigkeit. Die Pflicht ihrer Befolgung legt sich uns Allen jeden Augenblick mit un- auslöschlichem Nachdruck au's Herz und in heiligem Schauer beuge ich mein Haupt vor dem Einzigen, das in dem Lug des menschlichen Trei- bens, in dem Trug der menschlichen Wissenschaft absolut wahr ist. Aber in jenem besonderen Falle, angesichts der trostlosen Vei'waisten, würden jene Gebote als nichts Anderes denn als leere, jeder Bedeutung, ja jedes vernünftigen Sinnes baare Phrasen und Gemeinplätze erscheinen. Vor der überwältigenden Macht des Seelcnschmerzes, vor dem Sturm der Revo- lution im Gemüth verstummt jede andere, an und für sich noch so be- rechtigte Predigt der Moral und gerade so verstummt auch vor dem Sturm in unserem physischen Organismus, vor der Gewalt, mit welcher die räthselhaften Mächte des Typhus, des Scharlachs und der Pocken unseren Leib bis in die innersten Grundlagen erschüttern, jene haus- backene Weisheit, welche wir in den Mund der Hygea verlegen! Der Kalender der Moral enthält ganz kluge Sätzlein. Aber Klugkeit ist nur klug, so lange sie nicht häutiger als — höchstens alle Sonntag Vormit- tag während einer halben Stunde predigt und sieh's dabei nicht einfallen lässt, ihre Zuhörer in einem allfälligen Schläfchen durch Donnergepolter zu stören. Ich habe den mannigfaltigsten Anlass gehabt, mir die Ueberzeugung zu verschaffen, dass auf die Entwicklung von hitzigen, mit einer gewissen Gewalt auftretenden Krankheitsprozessen, wie vor Allem auf den Verlauf eines Typhus oder einer der ansteckenden hitzigen Hautkrankheiten, Ver- hältnisse, wie Temperatur des Zimmers, Bett, Regimen, Getränke u. s. w., so lange dieselben nicht in wahrhaft absurder Weise von der Norm ab- weichen, keinen Einfluss, — nach meiner persönlichen Ansicht absolut keinen, ich will aber gern die Konzession machen und sagen, einen ver- schwindend kleinen Einfluss üben. Es kommen diese Faktoren eben ein- fach nicht auf gegen jenen geheimnissvollen Faktor, der die Schleimhaut des Jleums mit Geschwüren, die äussere Haut mit Pusteln besäet. Un- beirrt durch der Menschen Thun oder Lassen, in grossartiger Unabhän- gigkeit von unseren wohlgemeinten, aber sicherlich auf grenzenloser Ver- blendung und Beschränktheit beruhenden Einmischungen spinnen sich jene krankhaften Vorgänge nach ihren eigenen natürlichen, uns verborge- nen Gesetzen ab. Allseitig wird anerkannt, dass innerlich gegebene Mittel auf den Gang eines Typhus, eines Scharlach- oder Pockenanfalles keinen Einfluss üben. Darf es nun wohl als Beweis eines klaren, scharfen Den-