Die Geschwülste des Nervensystems : Hirngeschwülste, Rückenmarksgeschwülste, Geschwülste der peripheren Nerven.

  • Bruns, Ludwig, 1858-
Date:
1897
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Die Geschwülste des Nervensystems : Hirngeschwülste, Rückenmarksgeschwülste, Geschwülste der peripheren Nerven. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University, through the Medical Heritage Library. The original may be consulted at the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University.

    84/414 (page 64)
    (51 Hirntumor ohne Symptome. gehe, miiss ich noch ein paar Worte über das Vorkommen und die Möglichkeit eines Symptomenlosen Verlaufes dieses Leidens sagen. In der älteren Litteratur sind eine ganze Anzahl solcher Fälle auch von guten Beobachtern angeführt, wo in vivo jeder Hinweis auf ein schweres Hirnleiden gefehlt haben soll; Fälle, bei denen zum Theil die Hirngeschwulst einen ganz unerwarteten und sehr überraschenden Sectionsbefund gebildet hat. In der neuesten Zeit sind solche Beobachtungen sehr selten geworden. In den meisten der beschriebenen Fälle ist Anamnese und Beobachtung eine ungenügende — in einer nicht kleinen Anzahl war die letztere auch viel zu kurz und wurden die Tumorsymptome durch andere zum Tode führende schwere Leiden, z. B. auch durch eine zu einem Solitärtuberkel hinzu- gekommene Meningitis tüberculosa verdeckt. In einem erst neuerdings veröffentlichten Falle von Macclonald z. B. handelt es sich bei einer 30 Jahre in einer Anstalt verpflegten mehr als St/jährigen Blödsinnigen um einen Tumor der linken Kleinhirn- hemisphäre — eine ophthalmoskopische Untersuchung ist nicht gemacht. Gerade das letztere ist von Bedeutung — gewöhnt man sich erst daran, jeden Fall von einigermaassen anhaltendem Kopfschmerz mit dem Augenspiegel zu untersuchen, dann wird der Hirntumor als zufälliges und unerwartetes Sectionsresultat sehr selten werden. Selbstverständlich will ich das Vorkommen solcher diagnostischer Fehler nicht immer auf eine vom Arzte verschuldete oder in den Verhältnissen begründete Unzulänglich- keit der Untersuchung schieben. Erstens braucht der Hirntumor wie jedes andere chronische Leiden eine gewisse Zeit, er muss eine bestimmte Entwickelung erreichen, um überhaupt Symptome zu setzen, die ihn diagnosticirbar machen: stirbt der Patient vor dieser Zeit, so stirbt er selbstverständlich ohne Diagnose. Zweitens können manche Geschwülste durch ihren Sitz und die Art ihres Wachsthumes dazu neigen, geringe oder gar keine Symptome hervorzurufen. Beides ist z. B. bei den Cholestea- tomen oder auch bei den echten Psammomen nicht selten der Fall; sei es dass sie sehr klein bleiben, wie die Psammome oder aber sich flach an der Hirnbasis ausdehnen, ohne das Hirn selber zu lädiren. Entwickelt sich schliesslich ein Tumor in einer Hirnregion, deren Zerstörung zu, unserer Diagnose zugäng- lichen localen Functionsstörungen nicht führt — z. B. im rechten Schläfenlappen — und führt eine solche Geschwulst zufällig auch nicht zu allgemeiner Hirndrucksteigerung, so kann sie natürlich ganz symptomenlos verlaufen. Es ist deshalb auch heute noch vollständig natürlich, dass auch einem Untersucher wie Byron Bramwell unter 87 Fällen einer begegnete, der symptomenlos verlief, aber man sieht an dieser Angabe des Edin- burger Forschers auch, wie selten dieser Lhnstand sein wird; in den weitaus meisten Fällen ruft die Hirngeschwulst ein wohlcharakterisirtes und leicht diagnosticir bares K r a n k h e i t s b i 1 d h e r v o r.