Praktische Kinderheilkunde : in 36 Vorlesungen für Studierende und Ärzte / von M. Kassowitz.

  • Kassowitz, Max, 1842-1913.
Date:
1910
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Credit: Praktische Kinderheilkunde : in 36 Vorlesungen für Studierende und Ärzte / von M. Kassowitz. Source: Wellcome Collection.

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    kompliziertere chemische Struktur besitzen, in der an einen eiweißartigen Kern zahlreiche aus Fett oder Zucker gebildete stickstoffreie Seitenketten und außerdem Phosphor, Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen, Chlor und vielleicht auch noch andere, aus den unentbehrlichen anorgani¬ schen Nahrungsstoffen stammende Atome angegliedert sind, deren Unent¬ behrlichkeit übrigens für die energetische Auffassung der Ernährung voll¬ kommen unverständlich geblieben ist. Jeder Chemiker weiß, daß eine Ver¬ bindung um so unbeständiger ist, je mehr Atome und Atomgruppen in ihr durch schwache Bindungen zusammengehalten werden, und ebenso weiß er, daß solche labile chemische Strukturen durch Stoß oder Schlag, durch schwache chemische Energien, durch Temperaturerhöhung, durch elektrische Spannungsdifferenzen und selbst durch Lichtschwingungen zum Zerfall ge¬ bracht werden können. In größerer Ausdehnung bedeutet aber ein solcher Zerfall der labilen Protoplasmamoleküle eine Ertötung der davon betroffenen protoplasmatischen Gebilde, weil dann eine Reparation durch assimilato¬ rische Neubildung der zerstörten Moleküle nicht mehr möglich ist; während eine schwächere Einwirkung derselben Agenzien nur reizend wirkt, indem der durch sie hervorgerufene Protoplasmazerfall alsbald von einer Wieder¬ herstellung der gesprengten Moleküle durch die assimilatorische Energie der erhalten gebliebenen gefolgt ist. Wenn wir also das Protoplasma sich aus allen Nahrungsbestandteilen auf bauen lassen, dann verstehen wir nicht nur, daß es durch die verschiedensten äußeren Einwirkungen, die dem Eiweiß allein nichts anhaben können, zerstört und ertötet werden kann, sondern auch, wie durch dieselben Energien in schwächerer Intensität der Stoff¬ wechsel der gereizten Teile — durch Zerfall und Wiederaufbau ihrer Proto- plasmen — gesteigert und zugleich auch ihre spezifischen Funktionen an¬ geregt werden, die sich ebenfalls, und zwar nicht nur im Muskel, sondern in allen lebenden Teilen des Körpers, ohne Schwierigkeit auf Zerfall und Wiederaufbau ihrer chemischen Einheiten zurückführen lassen x). Eine gewichtige Stütze findet diese metabolische Auffassung der Er¬ nährung in der Tatsache, daß überall, wo ein energisches Protoplasma¬ wachstum stattfinden soll, auch alle Hauptgruppen der Nahrungsstoffe, also Eiweiß, stickstoffreie organische Substanzen -— Stärke, Zucker oder Fett — und alle mineralischen Nährstoffe in genügender Menge vorhanden sein müssen. Sie finden sich in den Pflanzensamen und in den Wurzelstöcken, bei den Tieren in den Eiern und in besonders charakteristischer Weise auch in der Müch, die für die erste Zeit das alleinige Material für Wachstum und Entwicklung des jungen Säugetiers bildet. Mit dieser nährenden Flüssig¬ keit haben wir uns aber hier speziell zu befassen und wir wollen nun ihre einzelnen Bestandteile auf ihrem Wege und in ihren Metamorphosen inner¬ halb des kindlichen Organismus verfolgen, soweit uns dies durch eine Kom¬ bination der sichergestellten Tatsachen mit der theoretischen Gnmdannahme einer metabolischen Verwendung der Nahrung derzeit schon möglich ist. 1) Näheres hierüber im ersten und dritten Bande meiner Allgemeinen Biologie, welche den „Aufbau und Zerfall des Protoplasmas“ und den „Stoff- und Kraftwechsel des Tierorganismus“ behandeln.