Der geschmack, perifer und central. ; Der phylogenetischen veränderungen in den sensibelen VII, IX UND X Wurzeln.

  • Kappers, C.U. Ariëns.
Date:
1914
    Autoren soli sie sich ganz dera fasciculus solitarius anschliesen. Ob dieser Anschluss fiir eine langere Strecke gilt, oder ob der Nerv sich bald in dem umgebenden Grau, oder vielleicht sogar teilweise in den dorsaleren Kernen auflost, dariiber ist nichts mit Sicherheit bekannt. Der Nerv fiihrt jedenfalls ausser Geschmacksfasern auch tactile Fasern der Zunge (Gushing, Oppenheim) wie dadurch be- wiesen wurde dass bei V Exstirpation die Zungenspitze ihre Empfind- lichkeit ftir tactile Reize teilweise behalten kann. Fig. 21. Verhalten der lingualis Fasern des Trigeminus zum fasciculus solitarius beim Menschen. (Von der descendierenden V Wurzelsind nur die Fasern des dritten Astes punctiert, S. f. = fasc. Sol.) Schlieszlich mochte ich hier noch erwahnen dasz nach den Wahrneh- mungen von Wallenberg sich auch die Fas6rn des ram. lingualis V dem fasc. solitarius (beim Menschen) anschlieszen (Fig. 21). Dies beweist natiirlich keineswegs dasz der ramus lingualis des Trigeminus Geschmacksfasern enthalt, eher das umgekehrte, denn ich habe bezuglich des solitaren Biiudels bei der Besprechung seiner secundairen Verbindungen bereits darauf hingewiesen dass es hier wahrscheinlich in erster Stelle um allgemein sensibele Fasern handelt. Die ganze Phylogenese des Biindels spricht auch dafiir dass es mit der allgemeinen Sensibililat der Luftwegeu zu thuii hat und namentlich mit der Lungenatmung in Verbindung steht weil Avir es erst dann in seiner typischen Ausbildung vorlinden wenn die Kiemenathmung von der Lungenatmung ersetzt wird, und seine Fasern bei einigen Tieren bis zum Anfang des dritten Spinalsegmentes verfolgt sind. FLerbei kommt dasz physiologisch der Eiii flusz der periferen Reizung des N. lingualis V, des IX und des X auf der Atmung eine anerkannte Tatsache ist, w1e namentlich aus den Ver-
    suehen von van M e 11 e, ausgel'iihrt in Winkler's Laboratoriurn bewiesen wurde. i) Dass es nicbt ein spezifisches System fiir die Ge- sohniacksempfindung ist geht den folgenden Tatsachen hervor; 1*^. Die Tatsacbe dass auch der Vagus, der kaura Geschmacks- knospen innerviert bei manchen Tieren einen so erheblichen Anted nimint in seinem Aufbau und zwar gerade an seinen am meisten caudalwarts absteigenden Fasern. 2°, Dem fasciculus Solitarius scbliessen sich beim Menschen (Wallenberg) lingualis fasern des Trigeminus an, wahrend eine Geschmacksinnervation dureh den V nach den jenigen, welche diesen Punkt am besten untersucht baben (Cushing, Davies) sehr unwahr- scheinlicb ist. ' o°. Bei der Besprechung der Verbaltnisse bei den Vogeln babe ich bereits darauf bingewieseii dass es beim Casuar (auch relativ) grosser ist als beim Kanincben, wahrend die Gescbmacksknospen der Vogel zu denen der Kanincben sich verhalten wie etwa 100; 17.000. 4”. Schliesslicb wissen, wir durch vergleicbende Untersuchungen bei niederen Tieren dass Hypertrophie des Gescbmacks gerade zu- sammen geht mit Hypertrophie der bulbaren Kerne, nicbt mit Bildung von absteigenden Fasern, die gerade dort wo <ler Geschmack am meisten entwickelt ist, feblen. ■ '■ Wir werden wobl nicbt Febl geben wenn wir auch bei Saugern als Hauptcentrum des Gescbmacks die bulbaren VII-IX-X Kernen ansehen. Scbwierig — unmoglicb bis jetzt — ist aber die Entscheidung welcbem der zwei bulbaren Systeraen die Hauptfunktion in dieser Hinsicbt zufallt: dem dorso-lateralen (der bei den Fischen z. B. bei den Haien die wichtigste Kolle spielt) oder dem dorso-medialen oder Staderini’schen Kern. Angesicbts der Tatsacbe aber dass beim Crocodil, wo der Geschmack namentlicb auf der Zunge noch relativ wenig entwickelt ist, (viel weniger als bei den Saugern) der dorso-laterale Kern noch grosser ist, wahrend bei den Saugern sicher der Staderini’scbe Kern die grosste Aus- dehnung besitzt, diiiTte uns da zu fiihren bei den Saugern jedenfalls dem letzteren die Hauptfunktion namentlicb f. d. Geschmack der Zunge zuzuschreiben. Als Argument zu Giinsten hiervon darf auch angefiihrt werden dasz unter den Saugern der Staderini’sche Kern ganz machtig ent- wickelt ist bei den Bodentiern, deren Zunge so reich ist an Gescbmacksknospen, wahrend der Kern sehr diirftig ist beim fast gescbmackslosen Delphin. ') Verslagen v. d. Kon. Akad. v. Wetenschappen te Amsterdam. April, 1900.
    Dieses wurde dann auch erkliiren weshalb der rmcl. Staderini bei den niederen Tieren, wo eine wirkliche Zunge felilt, nicht vorkommt. Die Lage des Sta.derinischen Kernes, zwisschen dem motorischen Centrum des Magens (nucl. mot. dors. X) und der Zunge spricht auch sehr-fur diese Auffassung. Diese Verhaltnisse sind sehr characteristisch und ein lebhafter Ausdruck das neurobiotactischen Einflusses der senaibelen Neuronen auf motorischen Zellen. Von den motorischen IX und X Zellen haben, in soferne wir mit einiger Sicherheit sagen konnen, nur die motorischen Centren der ungestreiften Musku- latur des Oesophagus, des Magens und der Lunge ihren dorsalen Platz behalten (vergl. Kosake und Yagita, Stuurman, Vermeulen und andere). Die einzige Differenz, welche ihre Lage aufweist mit der bei den Submamma- liern ist diese dasz sie bei den Mammaliern mehr lateral liegen, dem lateralen sensibelen Kern genahert, womit sie bier vollig verwachsen sind. (Vergl z. B. Fig. 1 mit Fig. 20). Ob dies nur durch die neurobiotactische Annaherung an den lateralen sensibelen Kern erklart werden muss, oder auch dadurch dass der ganz dorsal gekommene Hypoglossus Kern und der stark vergrbsserte Nucl. intercalatus sie von der Medianlinie abdrangen, kann vorlaufig nicht ausgemacht werden. Beide Factoren diirfen dabei eine Rolle spielen. Die Ursache, weshalb die Centren der gestreiften Glosso pharyngeus und Vagusmuskulatur. (Pharynx oberer Oeso- phagus und Larynx) mitsammt, wie es scheint der Herz Kern, ventralwartsgelagert sind, ist bis jetzt unbekannt. Dass es neurobiotactisoheEinfliisse sind ist jedoch nach Analogie anderer Verlagerungen als vollkommen sicher zu betrachten. Sehr einleuchtend ist dagegen neben der dorsalen Lage des Magencentrums in der Nahe ihrer sensibelen und der Geschmacksfaserendigung die Lage der Speichelsecretorischen Centren. Nach den interessanten Untersuchungen von Yagita und Hayama finden sich diese Centren in dorsaler Lage in der Nahe des Frontalpoles des sensibelen VII—IX Kernes, d.i. also in der Nahe von den jenigen Nerven, welche den Geschma k innervieren, und wovon Kollateralen oder Schaltneuronen die Speichelsecretion direct beeinflussen diirfen. Dabei bildet das Speichelcentrum der Chorda tympani (VII) mit dem das N.' Jacobsohni (IX) eine gemeinsame Zellgruppe wie wir es auch wahrnahmen bei den jenigen Tieren wo noch die ganze VII und IX Musculatur unter dem directen Einfluss der entsprechenden sensibelen Wurzelkerne functionierte. (Haie). Von grossem Interesse ist auch die Lage des XII Kernes, welche hier eine Topographie angenommen hat, die ganz abweichend ist von der jenigen bei den Reptilien und Vogeln und eine frappante Illustration neurobiotactischer Einfliisse liefert. Wahrend doch bei den genannten Tieren dieser Kern noch nicht ganz gesondert war von den. cervikalen Vorderhornern und in seinem Verhalten' zu den fibrae arcuatae dorsales die primitive Lage unterhalb deiselben innegehalten hat, finden wir bei den Saugern den Kern als vollig diflerenzierte Saule abgetrennt vom Vorderliorngrau und so weit frontalwiirts verschoben dass seine Vordorspitze fast mit der vordern Spitze des dorsalen X Kernes zusammenfallt wahrend er ursprirnglich (beim Neunauge) nur • bis zum hinteren Spitze derselben reicht. Dabei sind seine Zellen'grosstenteils oberhalb der dorsalen Bogenfasern gekommen, teilweise vom nucleus dorsomedialis IX und X (nucl Staderini) umgeben, teilweise formlich dazwischen liegend.
    Eine mehr auffallende Anniilierung motorischer Zellen an das sensibele Centrum, welches die Oberflache Hires Organes und deren Umgebung (Rachen etc.) innerviert, ist wohl kaum zu erwahnen, SCHLUSSFOLGERUNGEN. P. Beim Studium der senaibelen VII, JX und X Wurzeln istzu bedenken dass diese dreierlei Componente luhren konnen: a. sensibele Hautaste; b. sensibele Schleimhautaste; c. G-eschmacksfasern; 2°. Die sensibele Hautaste der VII und IX sind wahrscheinlicli nur vorhanden bei Cyclostomen, einigen Selachiern und Amphibien i). Der sensibele Hautast des Vagus bleibt bis zum Menscben als Earn us auricularis vagi (des ganglion jugulare) bestehen. 30. Die Hautaste des VII, IX und X fiigen sich (wo sie vor- ^ kommen) in der Oblongata der descendierenden Trigeminuswurzel zu. 4°. Die sensibelen Schleimhautfasern und die G-eschmacksfasern sind central nicht oder nur annahernd voneinander zu trennen. 5o. Die urspriingliche Endigung der sensibelen IX und X Fasern ist hauptsachlich direct, d.i. nahe dem Niveau ihres Eintrittes in der Oblongata. Zu diesem Centrum steigt die'sensibele VII Wurzel ab. Dieser Zustand ist iiberwiegend bei alien Fischen. Die Ausbildung iiberwiegend absteigender Wurzelfasern des IX und X findet erst statt bei den Amphibian, tritt dann sehr auf den Vordergrund bei den Eeptilien und wird bei Saugern und nament- lich bei Vogeln sehr aufFallend. 60. Diese spezielle Senderung absteigender visceraler Fasern hat nicht in erster Stelle mit der Geschmacksfunktion zu tun weil; a. bei Tieren mit Hypertrophie des - Geschmacks gerade die ortlichen Oblongatakerne des IX und X hypertrophieren, und weil, b. die absteigenden Solitariusfasern am aufFallendsten sind bei Vogeln, welche den meist atrcphischen Geschmack haben von alien . Vertebraten. ■ 7o. Die Ausbildung der absteigenden Bahn des fasciculus solitarius hangt wahrscheinlich zusammen mit allgemeiner Schleimhautemp- findung der oberen Eingeweide, auch- mit derjenigeu, welche von den Athemwegen herriihrt. Dies wird dadurch bewiesen dass: A. die Bildung eines richtigen fasc. solitarius IX et X erst auftritt bei den Tieren wo die Eiemenathmung von der Limgenathmung ersetzt wird. B. Ein Centrum, der Lungenathmung vorkommt im 4ten Cervicalsegment (N. phrenicus: Diaphragms) und im Thorakalmark. *) Beziigl. den Ganoiden, siehe Kingsbury (1. c.)
    Mit Hinblick hierauf ist es wichtig dass nach gewiesen wurde dass: lo. sensibele Fasern der Luftwegen absteigen in den fasciculus solitarius, IIo, dieses Absteigen bei einigen Tieren bis ins 3te Cervical- segment verfolgt ist, IIIo. secundaire absteigende Neurone von der Umgebung des fasciculus solitarius bis mindestens zum 4ten Cervicalsegment absteigen. 8o. Die Geschraacksfasern bleiben auch bei hoheren Vertebraten (Mammalier) wahrscheinlich in den bulbaren Kernen lokalisiert und zwar diirfte von den dorso-lateralen und den dorso-medialen (oder- Staderinischen) Oblongata Kernen dem letzten die grosste Bedeutung zukommen als Centrum des Geschmacks. Es ist namlich auflfallend dasz> dieser Staderinische Kern erst bei den j,enigen Tieren zur volligen Ausbildung gelangt, wo die Zunge das exquisite Explora- tions organ des Gesmacks wird, n.l. bei den Saugern. Er feblt ganz bei Tieren ohne Zunge (Fischen) und ist bei Tieren mit vielen Ge- schmacksknospen auf der Zunge (Kodentie) viel groszer als bei den jenigen, wo der Gesmack der Zunge altrophisch ist (Cetaceen). In dieser Hinsicht ist auch seine Topographie zwisschen dem moto- rischen Zungenkern und moto£ischen Magenkern wichtig. i