Volume 2

Geschlechtskunde auf Grund dreissigjähriger Forschung und Erfahrung bearbeitet / von Magnus Hirschfeld.

Hirschfeld, Magnus, 1868-1935.

Date:: 1926-30

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Credit: Geschlechtskunde auf Grund dreissigjähriger Forschung und Erfahrung bearbeitet / von Magnus Hirschfeld. Source: Wellcome Collection.

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Audi dev von Günther in seiner „Rassenkunde des deutschen Volkes“ ange» führte Sah: „Professor Pilcz bestätigte nach seiner Erfahrung die relative Häufig» keit der Homosexualität bei Juden“, stimmt mit den Tatsachen nicht überein. In meiner „Homosexualität“ heißt es zu diesem Punkte: „Nach der letzten Volkszäh» lung zählte das Deutsche Reich am 1. Dezember 1910 64925993 Einwohner. Da¬ von gehörten die meisten, nämlich 39991 421 = 61 Prozent, dem evangelischen Be» kenntnis an, römisdi»katholisdi waren 23S21453 = 56 Prozent, Israeliten 615021 == 0,9 Prozent; der Rest verteilte sich auf christliche Sekten und andere Bekenntnisse. Vergleichen wir mit diesen Zahlen die in den Jahren 1902/10 aus§ 175 Verurteilten, so sehen wir, daß von insgesamt 5690 ebenfalls die meisten, nämlich 3324 = 58,4 Prozent, evangelisch sind; 2332 = 41 Prozent waren katholisch; 34 = 0,6 Prozent israelitisch. Demnach ist der Anteil der Katholiken an der Bestrafung ein wenig höher und der Prozentsatz der Juden ein wenig geringer, als man nach ihrem Verhältnis zur Gesamtbevölkerung annehmen könnte. Entsprechende Beobachtungen machte ich an etwa 35 000 von mir beobachteten Intersexuellen. Hiernach trifft es nicht zu, wenn Iwan Bloch („Ätiologie der Psycho» pathiasexualis“, I, S. 61) aus dem mustergültigen Familienleben der Juden folgerte, daß „Homosexualität bei ihnen kaum vorkomme“, ebensowenig wie es statistisch belegt ist, wenn Benedikt Friedländer („Mitteilungen des Bundes für männliche Kul» tur“, II, Jhrg.3) behauptet, daß „die hebräische Rasse von den in Europa hausenden Völkern am wenigsten zur physiologischen Freundschaft inkliniere“ (= neige). Wenn Friedländer an dieser Stelle sagt, daß in bezug auf die Verbreitung der Homo» Sexualität „unzweifelhaft die arischen Deutschen an erster Stelle stehen“, und dann fortfährt: „Darauf folgen die Angelsachsen der Alten und der Neuen Welt nebst einer beachtenswerten Anzahl reiner oder gemischter Slawen. In erheblichem Abstand folgen dann die Romanen und bei weitem zuletjt — auch bei Veranschlagung ihrer geringeren Zahl — die Juden“, so ist das eine völlig willkürliche Aufstellung. Die Jüdischen Urninge sind nur in dem Sinne in christlichen Ländern selten wie die protestantischen, von denen man Gleiches behauptet hat, in katholischen Gegenden. Ebenso willkürlich und falsch wie die Behauptungen von Bloch und Friedländer auf der einen Seite sind die von O. Hauser [in seinem Buch „Rassebilder“, 1925) und Prof. Plate, Jena (in seinem Sommerkolleg 1927), auf der anderen Seite, dahin lautend, daß „ihre stärkere Geschlechtlichkeit die Juden zu allen möglichen Perversitäten führt, deren gesetzliche Freigabe ihre Anwälte darum eifrig verlangen“. Auch Iwan Blocks Angaben in seinem vielgelesenen Buch „Sexualleben unserer Zeit“ über sexuelle Anomalien bei den verschiedenen Rassen können auf vertiefte Wissenschaftlichkeit keinen Anspruch erheben. Wenn er beispielsweise schreibt: „Unter den arischen Völkern haben sich vor allem die Inder einen begrün« deten Ruf als raffinierte Praktiker einer in ein System gebrachten Psychopathia sexualis erworben“, so ist dem entgegenzuhalten, daß aus der offenen Schilderung sexueller Betätigungsformen in der altindischen „Geschlechtsfibel“ noch nicht der Hirsdifeld, Gesdilecbtskunde. Bd. U, 41.