Über psychopathische Minderwertigkeiten / von Otto Gross.

  • Gross, Otto, 1877-1920
Date:
1909
Catalogue details

Licence: In copyright

Credit: Über psychopathische Minderwertigkeiten / von Otto Gross. Source: Wellcome Collection.

    27/136 (page 17)
    die an unser Gebiet sich anschließenden Erscheinungen des nor- malen Seelenlebens erschlossen haben. — Bevor wir uns aber Freuds Entdeckungen selber zuwen- den, soll hier noch eine Entdeckung Erwiähnung finden, die ich in innige Beziehung mit der Sejunktionshypothese setzen zu müssen glaube. Es handelt sich um eine Tatsache, die ich den Forschungsergebnissen Medelskys entnehme. M e d e 1 s k y hat am Nervmuskelpräparat Untersuchungen vorgenommen, deren Resultate unsere ganze Auffassung über das Geschehen im Nerven- system zu klären geeignet sind. Wir entnehmen ihnen hier die fundamentalen Sätze, daß die spezifisch nervöse Energie durch Anstauung, durch Konkurrenz der Reize und über- haupt durch Verstärkung ihrer Intensität über einen gewissen Grad5) hinaus aus der positiven Wirksam- keit in die negative u m s c h 1 ä g t, d. h. aus der A n- r e g u n g zur Hemmung, aus der Leitungsbeförde- rung zur Leitungsbehinderung übergeht.6) Es ist mehr als wahrscheinlich, daß diese Gesetze in einer nahen Beziehung stehen zum Müller sehen Gesetz, so also, daß der mit zunehmender Größe eines Reizes erfolgende Übergang von der Lustbetonung zur Unlustbetonung mit dem Übergang von der Reizleitung zur Leitungsbehinderung im Zusammenhang steht.7) — Diese selben oder wenigstens diesen sehr verwandte Tat- sachen beherrschen sicher auch das psychische Geschehen und bilden in kontinuierlicher Reihe die Ursache sowohl für Regu- lationsmomente des normalen Seelenlebens, als auch für direkte Sejunktionsprozesse. Ich erinnere nun an die großzügigen Ideen Wernickes in seiner denkwürdigen Besprechung der überwertigen Ideen. W e r n i c k e äußert dort, daß durch das Auftreten von Bewußt- seins i n h a 11 e n, die ihren Affektwerten nach miteinander unver- einbar sind — daß also durch inneren Konflikt Sejunk- tionsprozesse zustande kommen. Dieser Gedanke erhält 5) Über die eventuelle Variabilität des Grades vgl. später bei der „Erschöpfungsanlage“ nach Stadelmann. 6) Die M e d e I s k y sehen Ergebnisse sind hier nicht mit den Worten des Autors, sondern in Anpassung an den Zusammenhang unserer Darstellung wiedergegeben. 7) Hierzu vgl. die Auffassungsweise Stadelmanns; siehe später. Gross, Psychopatische Minderwertigkeiten. 2