Volume 2

Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und Staatsarzneikunde / vollständig dargestellt von E. Esquirol ; in's Deutsche übertragen von W. Bernhard.

  • Esquirol, Etienne, 1772-1840.
Date:
1838
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Credit: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und Staatsarzneikunde / vollständig dargestellt von E. Esquirol ; in's Deutsche übertragen von W. Bernhard. Source: Wellcome Collection.

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    welches es aus Landesproducten bereitet. In Europa trinkt man Cider, Bier,. Wein oder Branntwein. Der massige Gebrauch dieser Getränke erregt auf angenehme Weise die physischen und geistigen Kräfte, aber der Missbrauch derselben bringt Delirium, Schlaf und Stupor hervor. Diese Wirkungen werden durch tau- sendfach verschiedene Umstände, und je nach der Qualität und Quantität der Getränke modificirt. Der Missbrauch der gegoh- renen Getränke ist im Norden häufiger, als Im Süden. In Russ- land, Schweden, Dänemark, in kalten und feuchten Ländern, wie in Holland und England braucht man eine Aufregung, um den Einflüssen des Klima's zu widerstehen. Im nördlichen Amerika sterben jährlich 37,000 (?) Trunkenbolde. Die Unmässigkeit bringt in diesem Lande eben so wie im nördlichen Europa drei Viertel der Verbrecher und der Geisteskranken hervor. Kinder, Frauen und Greise trinken weniger als die Jüng- linge, und man findet deshalb bei Ihnen nicht diese traurigen Wir- kungen. Die Anlage zum Trunk ist manchmal erblich, und Gall erzählt, dass in einer russischen Familie der Vater und der Gross- vater frühzeitig als Opfer Ihrer Neigung zu gegohrenen Getränken fielen, und dass der Enkel schon vom 5ten Jahre an einen sehr grossen Geschmack an geistigen Getränken fand. Die Trunkenheit verändert die Gehirnfunctionen, vermindert nach und nach die Intelligenz, schwächt die Bewegungsorgane, und führt zur Geisteskrankheit, zum Delirium tremens,*) zur Paralyse, die eine so grosse Anzahl von Geisteskranken tödtet; auch führt sie zum Selbstmorde. Während ich in der Salpetriere war, hatten wir eine Dienerin, die früher in Manie verfallen war und jetzt zum Dienste bei der Abtheilung der Geisteskranken in diesem Hospitale verwandt wurde. Bei der geringsten Wider- wärtigkeit trank das Mädchen; es nahm zu tausend Ränken seine Zuflucht, um sich Wein zu verschaffen, und man konnte es nur durch Einsperrung verhindern. Wenn man nicht zeltig genug dazu kam, wurde das Mädchen wüthend und machte Versuche, sich das Leben zu nehmen. Gall sah im Gefängnisse zu Bamberg eine Frau, die, wenn sie getrunken hatte, ein lebhaftes Verlangen empfand, Feuer anzulegen. Kaum war die Aufregung vorüber, so hatte die Frau vor sich selbst Abscheu, gleichwohl halte sie vierzehn Feuersbrünste verursacht, ehe sie eingezogen worden war. Aber es ist hier nicht der Ort, von dem Missbrauch der ge- *) Man sehe auch über diesen wichtigen Gegenstand : Rayer, Memoire sur le Delirium tremena. Paris. 1819. — Levcille, Memoire Sur la folie des ivrognes ou sur le Delirc tremblant (Memoires de VAca- demie roxjale de medecine. Tom I. Paris. 1828.