Die Hysterie nach den Lehren der Salpêtrière : Normale oder interparoxysmale Hysterie.

  • Gilles de la Tourette, Georges, 1857-1904.
Date:
1894
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Die Hysterie nach den Lehren der Salpêtrière : Normale oder interparoxysmale Hysterie. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University, through the Medical Heritage Library. The original may be consulted at the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University.

    337/354 (page 319)
    Das psychische Verhalten ändert sich aber fast gar nicht mehr; höchstens vertieft es sich in dem Sinne der reinen Hysterie. Bei dem angeführten Falle änderten sich beim Auftreten einer linksseitigen Hemiplegie mit Hemianästhesie „die Träume etwas. Sie stehen nicht mehr mit dem Tode des Sohnes in Zusammenhang. Er sieht jetzt besonders wilde Tiere, eine graue Katze, die ihn beisst und mit der er kämpft. Er behauptet, dass sie von der linken Seite her auf ihn zukommen. So zieht sich der Zustand der „Hystero-Neurasthenie durch Monate und Jahre hin. Der Kranke ist unheilbar erkrankt. In diesem Alter und bei Leuten in diesen Verhältnissen weicht die Neurose nicht, und die Unglücklichen, die man schon nach Hunderten zählt, seitdem man gelernt hat ihren Zustand zu erkennen, gehen von Dienst zu Dienst, von Anfällen heimgesucht, von Hemiplegien befallen, unfähig zur Arbeit und enden häufig als Vagabunden im Korrektionshause. „Führt nun das Vagabundieren zur Hystero-Neurasthenie oder umgekehrt diese zum Vagabundieren? fragt Charcot. Eine schwierige und vom socialen Standpunkte interessante Frage, die ein tieferes Eingehen wohl verdient. Für jetzt will ich mich darauf beschränken, eine Wahrnehmung mitzuteilen, nämlich die: dass die Hystero-Neurasthenie eine unter den Armen, Verlumpten und Land- streichern, welche die Gefängnisse, die Nachtasyle und die Armenhäuser bevölkern, häufige Erkrankung ist. Derart ist der psychische Zustand, der allgemeine Habitus bei der männlichen so häufig mit Neurasthenie kombinierten Hysterie. Es ist das eine andere Hysterie, als die der jungen, aufgebrauchten Lebemänner, welche man früher annahm, als man noch kaum das Vorkommen ver- einzelter Fälle von männlicher Hysterie zugestand. Es sind Schmiede. Bergleute, Arbeiter, um die es sich handelt, und das Bild ist darum nicht weniger dunkel, wenn es sich um Personen von höherer Bildungs- stufe handelt. Der intellektuelle Verfall, die cerebrale Apathie vereinigen sich mit der Gedächtnisschwäche und machen naturgemäss jede Arbeit unmöglich. Diese Gedächtnisschwäche ist sehr eigentümlich und kann wohl dazu führen, dass man die Kranken für Lügner und Simulanten hält. Wie häufig haben wir beobachtet, dass die Kranken das, was sie am Abend vorher angegeben, am anderen Morgen ganz oder teilweise ver- gessen hatten und dafür ganz andere Angaben machten! Waren etwa unsere Nachfragen ungenügend? oder hatten wir die Kranken verwirrt gemacht? Wir erinnern uns auch eines an Quecksilbervergiftung leidenden Mannes, der uns über sein Leben Angaben machte, die er einige Tage später als unrichtig zurückwies. Wir besassen seine ganze Kranken- geschichte in einer Arbeit über die nervösen Störungen bei Bleivergif- tung, aber er konnte sich nicht erinnern, dass er vor drei Jahren in der Pitie wegen des ersten hysterischen Anfalles von Hysterie behandelt worden war. der ihn auch zur Salpetriere brachte 1). rEs wird heutzutage als Axiom angesehen, sagt Pierre Janet, dass die Hysterischen und die hierher gehörigen Personen beständig i) Le^ons du mardi 1887 — 1888. S. 410.