Richtlinien für Schwangerschaftsunterbrechung und Unfruchtbarmachung aus gesundheitlichen Gründen / herausgegeben von der Reichsärztekammer ; bearbeitet von Dr. Hans Stadler.

  • Germany. Reichsärztekammer.
Date:
1936
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Credit: Richtlinien für Schwangerschaftsunterbrechung und Unfruchtbarmachung aus gesundheitlichen Gründen / herausgegeben von der Reichsärztekammer ; bearbeitet von Dr. Hans Stadler. Source: Wellcome Collection.

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    Von dieser Regel macht nur die toxische Thrombose, wie ich sie nennen möchte, eine Ausnahme. Das Krankheitsbild tritt bisweilen nach Aborten und Wochenbetten, auch nach überstandenen Infektionen auf, meist bei schon älteren Frauen, die vielfach bereits mehrere Kinder haben. Bei dieser Form der Thrombose kommt es nicht zur Ausbildung eines das ganze Gefäßlumen ausfüllenden soliden Thrombus, sondern es handelt sich nur um kleine wandständige Gerinselbildungen in verschiedenen Venen, etwa der Fernthrombose Fischer-Wasels entsprechend. Diese Kranken fühlen sich müde, bettlägerig, haben manchmal subfebrile Temperaturen, objektiv kann man nicht viel finden: Leichte Verdickung und Druck- empfindlichkeit von Venensträngen, Neigung zu Suggilationen über er- weiterten Venen; die von Zeit zu Zeit plötzlich auftretenden Herzbeklem- _ mungen, Übelkeiten werden offenbar durch kapillare und miliare Embolien ausgelöst. Die Belastung solcher Frauen durch eine Schwangerschaft be- deutet eine große Gefahr. Es ist daher, namentlich wenn es sich, wie meist, um ältere Frauen mit mehreren Kindern handelt, erforderlich, eine ein- getretene Schwangerschaft zu unterbrechen, oder wenn keine Schwanger- schaft besteht, durch Ausführung der Unfruchtbarmachung der Eintritt weiterer Schwangerschaften zu verhüten, sofern man annehmen darf, daß empfängnisverhütende Mittel versagen werden. Wir finden nicht selten in der Schwangerschaft auch morphologische Veränderungen im roten Blutbild. Das sind Anisozytose, vielfach größere und hyperchromatische Erythrozyten, auch kernhaltige Makro- und Mikrozyten, Poikilozyten, Normoblasten und basophile Körnelung. Diese Befunde weisen auf eine zum Teil gesteigerte, zum Teil veränderte Tätigkeit des Knochenmarks in der Schwangerschaft hin, ohne daß jedoch dadurch die Schwangere gefährdet würde. Immerhin erfordert jede auffal- lende Anomalie in der Schwangerschaft, namentlich, wenn sie fortschreiten- den Charakter zeigt, die allergrößte Beachtung von Seiten des Arztes. Es kommt nämlich gelegentlich zu einer perniziosaähnlichen Schwan- gerschaftsanaemie, wie die Krankheit von Esch bezeichnet wurde. Die Blutbefunde ähneln ganz denen der echten Biermerschen Perniziosa, doch kommt eine Schwangerschaft bei Vorhandensein einer echten Perni- ziosa wegen des Darniederliegens der Geschlechtsfunktion kaum in Be- tracht. Wenn wir also in der Schwangerschaft eine zunehmende Ver- schlechterung des roten Blutbildes im Sinne einer Perniziosa finden, wenn durch die gewöhnlichen therapeutischen Maßnahmen (Leberpräparate, Blut- transfusionen, Eisenarsen) kein Stillstand oder Besserung eintritt, so sind wir berechtigt und verpflichtet, die Schwangerschaft zu unterbrechen. Denn es ist sonst größte Gefahr, daß die Kranke erliegt. Meist geht die Geburt ohne einen größeren Blutverlust noch glücklich vorbei. Erst im Wochenbett erlie- gen die Frauen der fortschreitenden Anaemie. Diese Frauen mit perniciosa- ähnlicher Schwangerschaftsanaemie können durch rechtzeitige Unterbre- chung der Schwangerschaft gerettet werden. Das Blutbild bessert sich meist rasch nach der Unterbrechung und nicht selten tritt eine völlige Heilung ein. Die übrigen Erkrankungen des Blutes (haemorrhagische Diathese, Haemoglobinurie, Thrombopenie) brauchen hier nicht besonders bespro- Stadler, Richtlinien 4