Die neueren Fortschritte in der Wissenschaft und ihr Einfluss auf Medicin und Chirurgie : gelesen in der Charing Cross Hospital Medical School zu London am 3. October 1898 / von Rudolf Virchow.

  • Virchow, Rudolf Karl, 1821-1902.
Date:
1898
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Credit: Die neueren Fortschritte in der Wissenschaft und ihr Einfluss auf Medicin und Chirurgie : gelesen in der Charing Cross Hospital Medical School zu London am 3. October 1898 / von Rudolf Virchow. Source: Wellcome Collection.

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    anerkannte Lehrmeister der englischen Pathologie und er ist es Decennien hindurch geblieben. So gross war sein Einfluss, dass auch die continentale Medicin denselben anerkannte. Ich kann davon Zeugniss ablegen, denn ich stand um dieselbe Zeit am Ende meiner Uuiversitätsstudien. Es würde zu weit führen, wenn ich an dieser Stelle darlegen wollte, wie es gekommen ist, dass ich selbst, wie Huxley, frühzeitig von den verderblichen Wegen der Humoralpathologie abgelenkt wurde; es mag genügen, zu sagen, dass die Rettung in derselben Wissenschaft lag, die schon einmal, im 16. Jahrhundert, die Befreiung von der Humo- ralpathologie gebracht hatte. Das war damals geschehen, als Vesalius die Autorität Galens niederwarf und die Anatomie des Menschen auf die direkte Beobachtung, auf Autopsie, be- gründete. Seitdem war der anatomische Unterricht sehr erwei- tert und verbessert worden. Huxley selbst verliess das Cha- ring-Cross-Hospital 1846 erst, nachdem er ein reichliches Maass von Unterricht in der Anatomie und Physiologie genossen hatte. Wieviel, das kann man aus der höchst interessanten Statistik abnehmen, welche Professor Foster mit Hülfe eines jüngeren Studiengenossen Huxley’s, Joseph Fayrer’s, aufgestellt hat. Unter den Lectures, welche damals die jungen Studenten hörten, waren in jedem der 3 Studienjahre 140 der Anatomie und Phy- siologie gewidmet. So voi’bereitet übernahm Huxley die Stelle eines Marinearztes und, als er nach 4 Jahren heimkehrte, war aus ihm ein perfecter Zoolog und ein scharfsinniger Ethnolog geworden. Wie das möglich gewesen ist, begreift derjenige leicht, der aus persönlicher Erfahrung weiss, wie gross der Werth der eigenen Beobachtung für die Entwickelung des unabhängigen und vor- urtheilsfreien Denkens ist. Für einen jungen Mann, der neben der Ansammlung eines reichen Schatzes von positivem Wissen auch die Praxis der Autopsie und der epikritischen Erwägung geübt hat, ist eine lange Seereise und ein ruhiger Aufenthalt unter gänzlich neuen Umgebungen eine unschätzbare Gelegenheit zu eigener Arbeit und zu tieferem Nachdenken. Losgelöst von dem Formalismus der Schule, angewiesen auf den Gebrauch seiner Sinne, gezwungen, jedes einzelne Ding auf seine Eigen- schaften und seine Geschichte zu prüfen, vergisst er bald die Dogmen des herrschenden Systems und wird zuerst ein Skep-