Die neueren Fortschritte in der Wissenschaft und ihr Einfluss auf Medicin und Chirurgie : gelesen in der Charing Cross Hospital Medical School zu London am 3. October 1898 / von Rudolf Virchow.

Virchow, Rudolf Karl, 1821-1902.

Date:: 1898

Credit: Die neueren Fortschritte in der Wissenschaft und ihr Einfluss auf Medicin und Chirurgie : gelesen in der Charing Cross Hospital Medical School zu London am 3. October 1898 / von Rudolf Virchow. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by The Royal College of Surgeons of England. The original may be consulted at The Royal College of Surgeons of England.

25/36 (page 25)

$weiter verändern, sogar Ausgangspunkte für Geschwulstbildung werden. Dieselbe Aberration ist schon lange von den Zähnen bekannt und man weiss, dass aus heterotopen Zahnkeimen grosse Ge- schwülste werden können. Ebenso verhält es sich mit den Knorpeln, an denen gleichfalls in fötaler Zeit Abtrennungen er- folgen. Die Geschichte der Rachitis hat gelehrt, dass Knorpel- inseln, die ursprünglich mit dem Primärknorpel der Epiphysen oder auch der Diaphysen zusammenhingen, später bei dem Wachsthum der Knochen liegen bleiben, gänzlich getrennt von ihrer Matrix. Auch aus ihnen entstehen weitere Neubildungen, so namentlich Chondrome und Knochencysten. So auffällig, ja überraschend manchesolcher Vorkommnisse sind, so verlieren sie doch den Charakter vollständiger Fremdartigkeit, welchen sie bei oberflächlicher Betrachtung darbieten, wenn wir uns einer vielfach, zuerst mehr populär, dann in der chirurgischen Praxis und endlich experimentell erzeugten Heterotopie erinnern, welche den Namen der „Transplantation“ trägt. Seitdem Verpflanzungen von Stücken der äusseren Haut bei der Rhino- plastik in Gebrauch gekommen und bei Heilung refractärer Ge- schwüre vielfach mit grösstem Nutzen angewendet sind, ist der Gedanke nicht mehr überraschend, dass lebende Körpertheile auch am ungehörigen Orte fortleben und sich weiter entwickeln können. Expei’imentell steht oben an in dieser Reihe die auch für die chirurgische Praxis wichtig gewordene Transplantation des Periosts, das an alle möglichen Orte des Körpers übertragen w'erden kann, selbst durch die Circulation in die Lungen, und das doch an allen diesen Stellen seine Lebensfähigkeit und sogar seine Eigenschaft, als Matrix von Knochengewebe zu dienen, bewahrt. Man hat diese Erfahrungen meiner Meinung nach in ihrer Bedeutung für die Theorie überschätzt, indem man eine Fähigkeit, welche das transplantirte Gewebe besitzt, insbesondere die Fähig- keit, durch Proliferation eine Geschwulst zu erzeugen, zur Er- kläning der Geschwulstbildung überhaupt zu verwerthen suchte. Das ist ein Irrthum: das transplantirte Gewebe hat keine anderen Fähigkeiten, als das Muttergewebe, von dem es abgelöst ist. Wenn aus einem Naevus ein Sarcom werden kann, so ist dies nur [möglich, weil er ein Theil der Haut ist und weil die$