Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach.

  • Rosenbach, O. (Ottomar), 1851-1907.
Date:
1891
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Credit: Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach. Source: Wellcome Collection.

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    Y. Beschaffung des Materials zur ßegründimg einer wissen- schaftliclien Therapie. Wir kommen nun zur Erörterung des letzten der oben aufgestellten Postulate für die Begründung der wissenschaftliclien therapeutischen Medicin und haben die Frage von der Beschaffung eines einwurfsfreien Materials für die therapeutische Prüfung und Schlussfolgerung zu erörtern. Um ein solches Material zu liefern, würden die bisherigen Erfahrungen nur dann ausreichen, wenn wir auf Grund dieser Beobachtungen im Stande wären, die Grundlagen, auf denen wir unsere Folgerungen aufbauen wollen, mit naturwissenschaftlicher Sicherheit zu fixiren. Können wir aber diesen Weg mit vollem Rechte beschreiten? Wo liegt ein solches einwurfsfreies Beobachtungsmaterial vor? Wer verfügt über eine solche Summe von unzweifelhaften Beobachtungen, dass er sie als Grundlage für neue, nicht bloss subjective, Folgerungen benützen kann? Ist das Material eines Beobachters auch nur annähernd gleichartig, spielen nicht locale und individuelle Verhältnisse beim Verlauf der einzelnen Krankheitsfälle, aus deren Summirung wir unsere Gesetze abzuleiten versuchen, eine gar nicht zu taxirende Rolle? Hat nicht die Phantasie des Beobachters und sein subjectives Ermessen eine allzu grosse Bedeutung für die schliessliche Beurtheilung der Resultate und bei Begründung der aufgestellten Behauptungen? Und giebt es denn viele Beobachter, die ein grosses, ganz einheitliches, also ohne jeden therapeu- tischen Eingriff, gewonnenes Material zur Verfügung haben? Wer diese Schwierigkeiten im Laufe einer langjährigen Beobachtung von Krankheitsprocessen erkannt und berücksichtigt hat, der wird sie nicht mehr unterschätzen und ein- sehen, dass die in den anderen Gebieten der Naturwissenschaften geltenden Ge- sichtspunkte und Methoden, die mit Vorliebe als die zu wissenschaftlichen Schlüssen einzig berechtigenden betrachtet werden, für die Erkenntniss der Vorgänge, die sich auf dem Gebiete der Medicin abspielen, nur unter gewissen Voraussetzungen und Cautelen Geltung haben, und dass derjenige, der sie anwenden will, ohne diesen Differenzen Rechnung zu tragen, nothwendigerweise irren muss, denn er macht oft Beobachtungen, die zwar inductiv gewonnen, aber trotzdem falsch sind, zur Grundlage subjectiver Urtheile, die fälschlich als objectiv betrachtet werden, weil sie aufinductiv gewonnenem Material beruhen. Daher giebt es in der Medicin unter der Menge der Beobachtungen so wenig sichere Errungenschaften, daher ist im Gebiete der Therapie auch nur ein Minimum von Wahrheit vorhanden. Daher stammen die sich bekämpfenden medicinischen Moden und Systeme, die im wissenschaft- lichen Gewände prunkend, die subjectiven Ansichten ihrer Urheber nicht nur als objeetive demonstrable Thatsachen proclamiren, sondern ihre Ansichten auch sofort in die gangbare Münze der Praxis umsetzen und sie als die allein zu befolgende Richtschnur angesehen wissen wollen.