Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach.

  • Rosenbach, O. (Ottomar), 1851-1907.
Date:
1891
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Credit: Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach. Source: Wellcome Collection.

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    Weil ihr Nährboden, die Fliegen, zu dieser Zeit in ihrer Resistenzfähigkeit ge- schwächt ist. Damit soll nicht eine Erklärung der Vorgänge gegeben, sondern nur darauf hingewiesen werden, dass wir die Verhältnisse nicht einseitig beur- theilen sollen, da gerade dort, wo wir die Ursachen klar zu sehen glauben, noch viele Möglichkeiten nicht in Betracht gezogen sind. Auf das uns beschäftigende Thema der Infectionskrankheiten bezogen, besagen unsere Einwendungen, dass es falsch ist, die Entstehung aller dieser AflPectionen ganz einseitig von der Einwirkung der Mikrobien herzuleiten. Es muss gezeigt werden., dass das blosse Vorhandensein kleinster Lebewesen bei Krankheiten nicht genügt, das Wesen und den Mechanismus der Erkrankung zu erklären, es muss betont werden, dass man noch viele Mühe auf die Erforschung der Umstände verwenden muss, welche beim Vorhandensein des sogenannten Krankheitserregers erst die wesentliche Vorbedingung für sein erfolgreiches Ein- wirken geben. Nun hat man bisher in ganz ungerechtfertigter Weise die günstigen Bedingungen für das Gedeihen kleinster Lebewesen allein in ihren äusseren (exoteren) Ernährungsverhältnissen gesucht, und z. B. angenommen, dass der Cholerakeim zwar verschleppt werden, aber nicht inficiren könne, weil er im Boden nicht die Vorbedingungen für seine Entwicklung finde; man hat ange- nommen, dass der Grundwasserstand in eben solchem Verhältnisse zur Entwicklung des Typhusbacillus steht, und dass bestimmte Grundwasserverhältnisse eine Ver- mehrung der Typhuskeime und somit das Entstehen einer Epidemie begünstigen. Die Thatsachen sind gewiss richtig und es ist vom Standpunkte des Kampfes der Organismen verständlich, dass die günstiger gewordenen Existenzbedingungen einer Art ihre Fähigkeit, schädlich zu werden, vergrössern, aber damit ist dem zweiten Factor, der Schwächung des angegriffenen Theiles, noch nicht Rechnung ge- tragen, — unseres Erachtens mit grossem Unrecht, da in der Mehrzahl der Fälle nicht die Intensität des Krankheitserregers die Hauptrolle bei der Infection des Individuums spielt, sondern die Disposition, d. h. die Schwäche des Angegriffenen, oder ein gleichzeitiges Zusammentreffen beider Bedingungen. Die Fälle, in denen in der Massenhaftigkeit und besonderen Virulenz der Mikrobien die Ursache der Erkrankung liegt, sind sehr selten; selbst in schlecht gelüfteten Krankenstuben, in Räumlichkeiten, in denen Bacterien in grösster Menge deponirt sind, spielt die Disposition der in der That Inficirten eine Rolle, insofern als ja die un- günstigen äusseren Bedingungen auch auf den menschlichen Organismus sehwacheud einwirken müssen. Weder Gefängnisswärter noch Krankenwartepersonal er- kranken häufiger an Tuberkulose als andere, nicht disponirte, unter günstigen äusseren Bedingungen, z. B. im Freien lebende Individuen,, während doch Ge- fangene sehr häufig afficirt werden, und weun, wie man behauptet, die Mitglieder gewisser religiöser Krankenpflegerorden der Tuberkulose häufig zum Opfer fallen sollen, so liegt unseres Erachtens kein zwingender Beweis dafür vor, dass die Erkrankung von der besonderen Gelegenheit zur Infection — in Folge günstigerer Bedingungen für die Ansteckung — und nicht allein von den ungünstigen, schwächen- den Einwirkungen des Berufes und der besonderen Verhältnisse (des klösterlichen Lebens) auf die betreffenden Individuen herrührt. Während also unseres Erachtens Fälle von Infection, in denen die besondere Activität des Infectionserregers ange- schuldigt werden muss, zwar vorkommen, aber nicht die häufigeren sind, spielt die (wechselnde) Disposition des Einzelindividuums und ganzer Gemein- schaften, grosser politischer Verbände, ja der Bewohner ganzer Erdtheile, bei den epidemischen Erkrankungen die Hauptrolle. Die Epidemie bricht aus, nicht weil zu anderen Zeiten keine Keime zur Ver- schleppung oder Entwicklung gelangten, sondern weil zu einer bestimmten Periode ganze Völkerschaften durch uns unbekannte Einflüsse in besonders geeigneter Verfassung, von einem bestimmten Mikrobium infi- cirt zu werden, sich befinden. Dies hat schlagend die letzte Influenzaepidemie gelehrt, die unserer Meinung nach nicht auf ein neues Mikrobium, sondern auf