Volume 2

Lehrbuch der speciellen Chirurgie ... / von Franz Koenig.

  • König, Franz, 1832-1910.
Date:
1881
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Lehrbuch der speciellen Chirurgie ... / von Franz Koenig. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by The University of Leeds Library. The original may be consulted at The University of Leeds Library.

    665/740 (page 647)
    4. Obwohl es an anatomischen Beweisen dafür fehlt, so drängt doch alles darauf hin, eine Rotationsluxation des Atlas anzunehmen. Dieselbe kann doppelt sein, so dass der eine Gelcnkfortsatz nach vorn, der andere nach hinten abrutscht, in welchem Fall sich der hintere Rand des nach vorn abgerutschten Gelenkfortsatzes des Atlas gegen den vorderen des oberen Fortsatzes vom Epistropheus anstemmt und verhakt. Ob dieselbe Form auch unvollkommen möglich ist, d. h. ohne Ver- hakung, bleibt dahingestelt, aber denkbar ist eine wesentlich einseitige Luxation nach vorn mit leichter Verschiebung des anderen Fortsatzes nach hinten. Wir halten die Annahme dieser Luxationsform für nothwendig, weil sie mit relativ geringer Verletzung innerhalb des Canals des Rückenmarks gedacht werden kann. Nicht nur, dass unter Umständen eine solche Torsionsluxation ohne Heraus- treten des Process. odontoid. unter dem Lig. transversum gedacht werden kann, ein Fall, in welchem die Gefahr für das Mark nur sehr gering wäre, sondern auch wenn wirklich eine Zerreissung des Ligaments zu Stande käme, würde doch nie eine solche Gefahr durch den Proc. bedingt, wie bei der Luxation nach vorn oder der Diastase. Die Annahme dieser Luxationsform erklärt also vorläufig besser eine An- zahl clinisch beobachteter Fälle. Porta freilich nimmt auf Grund von Leichenuntersuchungen an, dass eine derartige Torsionsluxation nur mit Zerreissung der Bänder und Fractur des Dens vorkomme (Extension und Torsion des Kopfes bei fixirtem Epistropheus), während Blasius, welcher vorher den Kopf entfernte und die Kapselbänder einschnitt, eine solche Luxation durch Rotation bewirken und die Feststellung durch Druck auf den Atlas (Druck des Kopfes von oben) erhalten konnte. Die Fälle, in welchen durch eine rasche, spontane Drehung des Kopfes an- scheinend eine Luxation erzeugt wurde, bei welcher der Kopf in Rotation nach der Seite feststand, lassen sich wohl am einfachsten so erklären (Desault). Malgaigne will sogar einen derartigem Fall anatomisch constatirt haben. Ferner mögen auch die Fälle bei Kindern, welche eintreten, nachdem dieselben im Scherz am Kopf emporgehoben und dann auch wohl noch durch Drehung des Kopfes Rotationsbewegungen zwischen hängendem Körper und Kopf im Atlasepistro- pheusgclenk ausgeführt werden, hierher zu rechnen sein, denn die Bewegung an sich ist ganz geeignet zum Hervorbringen der Luxation, Extension und Rotation. Freilich fehlt auch hier der Nachweis durch die Autopsie, und die Unmöglichkeit, an der Kinderleiche durch die gleichen Bewegungen eine Luxation zu bewirken, steht der Annahme entgegen (Orfila). Es können ja auch ganz andere Verletzun- gen bei diesem Eingriff eintreten. Hat doch v. Walther Tod durch Zerreissung des Rückenmarks eintreten sehen. Als Hauptsymptom für die Rotationsluxation würde die Feststellung des Kopfes nach der Seite, nach welcher sich der Wirbel gedreht hat, zu betrachten sein. Da- bei wäre wohl eine Prominenz auf der entgegengesetzten Seite im Nacken zu er- warten, über welche sich die Muskeln spannen und vortreiben. Wahrscheinlich findet sich auch im Pharynx Geschwulst. Dazu möglicherweise ganz fehlende oder nur unvollkommen localisirte Lähmung. Vor kurzem wurde ein Fall mitgetheilt (Uhde, 'Hagemann und Böttger Langb. Arch. Bd. 22 H. I. p. 219), bei welchem auf Grund der Erscheinungen eine Luxation des Atlas in der Art angenommen wurde, dass der rechte Gelenkfortsatz desselben über den oberen Gelenkfortsatz des Epistropheus der gleichen Seite nach vorn, während der linke über den linken des Epistropheus nach hinten geglitten sei. Der Verletzte zeigte ein Caput obstipum, indem der Kopf nach rechts geneigt war bei Drehung des Gesichts nach links. Dazu fanden sich localisirte Lähmungs- erscheinungen des Hypoglossus, glossupharyngeus, accessorius Willisii. Durch Her- stellung der fraglichen Verschiebung an der Leiche wurde gezeigt, dass die ge- dachten Nerven dabei mehr oder weniger gezerrt, gedrückt werden, so dass eine Lähmung derselben wohl entstehen kann. Wir betrachten die Therapie der verschiedenen Luxationen im Gebiet des Atlas mit der der übrigen Halswirbelluxationen.