Ueber die Beziehungen von chemischer Constitution, Vertheilung und pharmakologischer Wirkung : Vortrag, gehalten im Verein für Innere Medicin am 12. December 1898 / von P. Ehrlich.

  • Ehrlich, Paul, 1854-1915.
Date:
[1898?]
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Ueber die Beziehungen von chemischer Constitution, Vertheilung und pharmakologischer Wirkung : Vortrag, gehalten im Verein für Innere Medicin am 12. December 1898 / von P. Ehrlich. Source: Wellcome Collection.

    22/36 (page 22)
    Mit der Constatirung der Contactwirkung war also der erste Schritt gethan, um in das Dunkel der Arzneiwirkungen einzudringen. Aber eine Erklärung, warum denn die genannten Substanzen eine elective Wirkung ausübten, war damit nicht gegeben. Es fehlte eben das nach den modernen Anschauungen unbedingt nothwendige Band zwischen Wirkung und Vertheilung in den Geweben. Ich kann den Anspruch erheben, als erster den richtigen Weg erkannt zu haben, indem ich im Jahre 1887 in meinem Aufsätze über die therapeutische Bedeutung der substituirenden Schwefelsäuregruppe (Therap. Monatshefte, März 1887) den Nach¬ weis erbrachte, dass neurotrope Farbstoffe durch den Eintritt der Suifosäure- gruppe dieser Eigenschaft beraubt werden. Ich verglich schon damals die Loca- lisation der Farbstoffe und auch der Alkaloide im Gehirn mit dem Princip des von Stas-Otto begründeten Ausschüttelungsverfahrens, indem ich sagte: „Das Princip der von Stas-Otto begründeten Ausschüttelung der Gifte beruht darauf, dass im Allgemeinen basische Körper, z. B. Alkaloide etc., in sauren Lösungen fest gebunden und daher schwer extrahirbar sind, während sie aus alkalischen Lösungen leicht ausgeschüttelt werden können. Saure Körper zeigen natürlich gerade das umgekehrte Verhalten, indem sie durch alkalische Medien zurückgehalten, von sauren leicht abgegeben werden. Uebertragen wir diese Erfahrungen auf die uns hier interessirenden Fragen, so können wir leicht verstehen, warum insbesondere basische Farbstoffe, welche im Blut durch keine chemischen Affinitäten zurückgehalten werden, vom Gehirn mit Vorliebe aufgenommen werden, während die Farbsäuren und die Sulfosäuren, die durch die Alkalien des Blutes in Form von Salzen gebunden und gewissermaassen in ihm verankert werden, gerade das entgegengesetzte Verhalten zeigen.“ Ich zeigte weiterhin auch, dass, ähnlich wie das Gehirn, sich auch das Fett¬ gewebe verhält, indem ein grosser Theil der Stoffe, die vom Gehirn aufgenommen werden, auch vom Fettgewebe gespeichert werden. In weiteren Fluss kam diese Frage im Jahre 1891, als Hofmeister, Pohl und weiterhin Spiro auf die Be¬ deutung der lockeren, leicht wieder lösbaren Bindung aufmerksam machten. So zeigte Pohl 1891, dass die von Schmiedeberg schon im Jahre 1867 festge¬ stellte Aufnahmefähigkeit der rothen Blutkörperchen für Chloroform auf einen Gehalt derselben an Cholestearin und Lecithin, die Chloroform ausschütteln, zu¬ rückzuführen wären, und bezog auch die Bindung des Chloroforms im Gehirn, ähnlich wie ich dies für die Farbstoffe und Alkaloide gethan habe, auf ent¬ sprechende fettähnliche Stoffe des Gehirns. So war denn eine Basis gewonnen, um der Hirnwirkung der oben erwähnten Stoffe, die ja zum grössten Theil eben ihrer physikalisch-chemischen Natur nach in Fetten und fettähnlichen Stoffen leicht löslich sind, näher zu treten.1) 1) Auf die grossen weiteren Fortschritte, die seit der Zeit meines Vortrages insbesondere durch die Arbeiten von Hans Meyer und Overton gemacht worden sind, sei hier nur hin¬ gewiesen. In drei Arbeiten Meyer’s über die Theorie der Alkoholnarkose (Archiv für experim. Pathologie, 1899—1901) ist für eine grosse Zahl von chemischen Stoffen in exactester Weise der Nachweis erbracht worden, dass die Wirkungsweise der indifferenten Narcotica unabhängig ist