Die Krankheiten der Frauen, für Ärzte und Studierende.

  • Fritsch, Heinrich, 1844-1915.
Date:
1897
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Credit: Die Krankheiten der Frauen, für Ärzte und Studierende. Source: Wellcome Collection.

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    Nach diesen Fragen auf die consensuellen Erscheinungen übergehend, wird man nach Schmerzen in entfernten Organen, nament- lich den Brüsten, dem Kopf, dem Rücken, den Extremitäten und dem Magen forschen. Auch der Appetit, die Verdauung, die Beschaffenheit des Stuhlgangs, die Empfindungen vor, beim und nach dem Stuhlgang, dem Uriniren etc. sind wichtig. Giebt die Patientin ein bestimmtes Leiden, z. B. das Vorhanden- sein einer Geschwulst an, so forscht man genau, wann und von Wem sie zuerst entdeckt wurde, wie sie sich vergriisserte, welche Beschwerden sie macht, welchen Einfluss sie auf das Allgemeinbefinden hat. Bei einer Hysterischen wird man vorsichtig sein und nicht jede der angedeuteten Fragen sofort an die Patientin richten. Fragt man eine Hysterische nach Symptomen, so behauptet sie oft mit grösster Befriedigung, dass alle diese merkwürdigen, interessanten Empfindungen auch bei ihr sich fänden. In manche Patientin kann man jede Krank- heit hineinexaminiren. Zum Schluss fragt man nach der früheren Behandlung: nach den Bädern, die besucht sind, nach den Aerzten, die behandelt haben, nach den Kuren, die gebraucht sind. Hierbei vermeide jeder Arzt mit der allersorgfältigsten Vorsicht jede abfällige Bemerkung, namentlich die: dass Patientin hätte eher kommen müssen u. s. W. Nie vergesse der Arzt, dass durch jede abfällige Bemerkung nicht nur ein College, son- dern der ganze Stand herabgesetzt wird. Leider glauben so viele Patientinnen, sich gerade dadurch gut ein- zuführen, dass sie von den vorher behandelnden Aerzten Schlechtes erzählen. Dabei habe man stets in Gedanken, dass viele Patientinnen den Arzt so schnell wechseln wie ein Kleid, und dass gerade die, Avelche die schönsten liobs])rüche im Munde führen, beim nächsten Arzt, der an die Reihe kommt, den Vorgänger am meisten verlästern. Immer muss der Frauenarzt mit Tact verfahren, z. B. nicht erst nach Kindern und dann nach der Verheirathung fragen, nicht etwa mit den Fragen nach Schmerzen beim Coitus beginnen. Noch weniger wird man durch Spott oder Lachen über die oft recht wunderlichen Klagen, Erzählungen und Beschreibungen von abnormen Empfindungen das Vertrauen der Patientinnen erwerben. Stets muss man bestrebt sein, die ärztliche Würde zu wahren, und gleichweit entfernt von der principiellen, willfährigen Liebenswürdigkeit des Routiniers, wie von Roheit des ^.exacten Forschers, der nur wissenschaftliche Ergebnisse erstrebt, die Handlungsweise allein durch wahre Menschenliebe leiten lassen!