Lehrbuch der Geburtshülfe : einschliesslich der Pathologie und Therapie des Wochenbettes. Für praktische Ärzte und Studirende.

  • Winckel, F. (Franz), 1837-1912.
Date:
1893
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Credit: Lehrbuch der Geburtshülfe : einschliesslich der Pathologie und Therapie des Wochenbettes. Für praktische Ärzte und Studirende. Source: Wellcome Collection.

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    Beim zweiten Grade der Asphyxie, in welchem die Reizbarkeit der Medulla oblongata tief gesunken ist, ist nach meinen langjährigen Erfah- rungen die Methode der Wiederbelebung nach B. S. Schultze die beste, und ich unterschreibe gern Alles, was M. Runge darüber (a. a. 0. S. 26—39) gesagt hat. Man fasst das noch unbekleidete abgenabelte Kind mit beiden Händen vom Rücken her am Nacken — beide Zeigefinger unter die Achsel- höhle, beide Daumen über die Claviculae gelegt, die übrigen Finger am Hinterhaupt und Halsrücken — und hält es zuerst gerade nach unten. Zur Herbeiführung des Abflusses der aspirirten Flüssigkeiten aus Mund, Schlund und Trachea wird nun der Rumpf des Kindes so weit in die Höhe gehoben, dass er nach der Richtung des Gesichts von oben herübersinkt, der Hals muss hierbei wie immer gestreckt bleiben; dadurch erfolgt eine allseitige Compression des Thorax und hiermit zuerst eine Expression seines Inhaltes. Nach kurzer Pause wird der Rumpf dann kräftig vom Operateur wegge- schleudert und so eine starke passive Inspiration bewirkt, wobei mit einem pfeifenden Geräusch die Luft in die Lungen eindringt. Nach 10 bis 12maliger Wiederholung dieses Manövers wird das Kind in ein warmes Bad gebracht und nunmehr werden, falls die Athmung ergiebiger erfolgt, die für den ersten Grad der Asphyxie genannten Mittel noch so lange, eventuell stundenlang fortgesetzt, bis das Kind mit lauter Stimme kräftig schreit, sich lebhaft bewegt, eine hellrothe Haut zeigt und keine Spur von Benommenheit mehr erkennen lässt. Allerdings hat man bei dieser Me- thode von Schultze Emphysem im vorderen Mediastinalraum (Champneys bei Leichenexperimenten), kleine Blutungen in die Nebennieren (M. Runge), eine grössere Blutung in die Lunge mit Zerreissung der Pleura (M. Runge), Practur der Clavicula und andere Verletzungen, namentlich der Haut, con- statirt, aber doch nur bei roher Anwendung derselben. Andererseits ist bewiesen, dass diese Methode bedeutend kräftiger wirkt, als alle anderen ähnlichen Methoden von Maeshall Hall, Lahs, Silvester u. A., ja dass sogar bei todtgeborenem reifen Kinde die Lungen durch dieses Verfahren vollständig schwimmfähig gemacht werden können (Wieecinskt), aber nicht bei zu früh geborenen Kindern. Die Luft kann bei der Schultze'- schen Methode auch in den Magen, ja sogar in den oberen Theil des Darmkanales eingeführt werden. Dass man die ScHULTZE'schen Schwingungen bei vorhandenen Knochen- verletzungen des Kindes besser durch andere Belebungsmethoden ersetzt, wie L. Meyer rieth, ist gewiss zuzugeben. Die PoREST'sche Methode der künstlichen Athmung scheint mir nur durch das Einblasen der Luft von Mund zu Mund mit Erleichterung des Lufteintrittes durch nach hinten übergesunkenen Kopf des sitzenden Kindes zu wirken, aber für schwerere Fälle nicht energisch genug zu sein. Da- gegen ist die bereits von Koblanck mit Glück versuchte KoENiG'sche Methode durch kräftiges Klopfen mit dem Mittelfinger gegen die Herzgegend des Kindes die Herzaktion zu bessern sehr empfehlenswerth.