Die Mycetozoen (Schleimpilze) : ein Beitrag zur Kenntniss der niedersten Organismen / von A. de Bary.

  • Bary, A. de (Anton), 1831-1888.
Date:
1864
    gien und dem Vorkommen oder Fehlen des Stieles, durch die Form, Dicke und Weite der Capillitiumröhren und Kalkblasen, durch die Be- schaffenheit der Sporangiumwand, die Menge und Vertheilung der Kalkkörnchen; durch die Grösse der Sporen und die Structur ihrer stets violetten oder violettbraunen Membran; endlich durch die Farbe von Stiel, Capillitium und Sporangiumwand, welche bei vielen Arten durch ein gelbes, seltener rothgelbes Pigment gefärbt sind, das die gleichen Eigenschaften und ähnliche Vertheilung zeigt, wie sie unten für Aethalium beschrieben werden sollen. Bei manchen Arten, z. B. Ph. hyalinum P., umschliesst die längsrunzelig gefaltete Membran des Stieles eine leere, lufthaltige Höhlung. Die Gattungen Craterium Treniep.l) und Leocarpus Lli., wenigstens die typische Species der letzteren L. vernicosus, können von Physarum nicht füglich getrennt werden. Bei Craterium ist die Wand des Sporangiums unten derb, braungelb gefärbt, ihr oberes den Scheitel bildendes Stück zart und mit Kalkkörnchen dicht bedeckt; letzteres löst sich zuletzt als ein zusammenhängender oder zerbröckeln- der Deckel ab, der untere Theil bleibt in Form einer offenen Urne stehen. Leocarpus vernicosus hat eine sehr dicke, derbe, aussen glän- zend braune, überall gleichartige Sporangiumwand, welche aus zwei bis drei mehr oder minder scharf gesonderten Schichten besteht; alle übrigen Structurverhältnisse der beiden Genera sind die gleichen wie bei den typischen Physarum-Arten. Auch an Mittelformen zwischen diesen und Craterium und Leocarpus vernicosus fehlt es nicht und die Entwicklung letzterer ist die nämliche wie bei Physarum. Didymium (Schrad.) Fr. (I, 6. 7; II, 1—4). Diese Gattung, als deren typische Repräsentanten ich hier zunächst D. nigripes Fr., D. farinaceum Schrad. und D. leucopus Lli. erwähne, wird von Fries durch eines ihrer Merkmale sehr gut von Physarum unter- schieden, wenn derselbe (S. m. III, p. 113) sagt: »Peridium . . . . tectum cortice adnato, in squamulas furfuraceas aut villum farinosum mox fatiscente.« Die Sporangien der drei genannten Arten sind meistens deutlich gestielt und für das unbewaffnete Auge denen von Physarum albipes und Verwandten täuschend ähnlich. Ihre Form ist nahezu kugelig, an der Insertionsstelle des Stieles sind sie leicht eingedrückt, genabelt. Die Sporangiumwand wird von einer einfachen Membran ge- bildet, welche bei D. leucopus wasserhell und sehr zart, bei den beiden anderen Arten derber und durch grosse unregelmässige, von farblosen ) Vergl, z. ß. JJitmar, in Sturm D. fl. III, I. Tab. 9 — 11.
    Didymiura. Interstitien getrennte violette Felder gefleckt oder marmorirt ist. (I, 7; II, 2, 3). Im IJebrigen ist auch hier die Membran homogen. Die Fär- bung durchdringt sie an den betreffenden Stellen ihrer ganzen Dicke nach und ist in der Mitte der Flecke am intensivsten, am Eancle all- mählich nach den hyalinen Zwischenräumen hin verwischt. Die Grösse der Flecke und die Intensität ihrer Färbung ist bei verschiedenen In- dividuen derselben Species sehr verschieden. In Schwefelsäure werden die Flecke schärfer umschrieben. Ihre Umrisslinie tritt dann am schärfsten hervor, wenn man die Innenfläche der Membran einstcllt. Daraus lässt sich scliliessen, dass die Flecke verdickten, nach Innen (freilich sehr wenig) vorspringenden Stellen der Membran entsprechen. Die so beschaffene Membran ist auf ihrer Aussenfläche von einem weissen, aus krystallisirtem kohlensaurem Kalk bestehenden Reife überzogen (II, 1). Bei D. nigripes besteht derselbe aus zier- lichen sternförmigen, Schneeflocken vergleichbaren Drusen. Eine jede derselben ist aus einer Anzahl grösserer spiessförmiger, um einen Mittel- punct strahlig zusammengewachsener Krystalle gebildet, zwischen wel- chen meistens zahlreiche kleinere stehen, entweder gleichfalls von dem gemeinsamen Mittelpuncte radial nach allen Seiten sehend, oder fieder- artig den grösseren angewachsen (II, 2). Einzelne Kalkkrystallchen, welche man bei der Untersuchung zwischen den Drusen findet, scheinen wenigstens grossentheils aus zufälliger Zertrümmerung dieser hervor- gegangen zu sein. Die Drusen von D. farinaceum sind meistens morgenstern- förmig, mit dickem Mittelstück und kurzen pyramidalen Krystallspitzen (I, 7). D. leucopus zeigt das ganze Sporangium mit sehr kleinen unregelmässigen Krystalldrusen und einzelnen Krystallchen bestreut. Salzsäure löst überall den Kalküberzug vollständig und lässt die Membran rein und glatt zurück. Wie bei Physarum uinschliesst der Sporenbehälter ein Capillitium, das aus netzförmig verbundenen Fasern besteht, welche mit ihren Enden allenthalben der Sporangiumwand und häufig auch einer Columella an- gewachsen sind (I, 6.) Die Art der Verwachsung ist die nämliche wie dort, die Fasern gehen mit einer leichten conischen Verbreiterung, oder auch wohl ganz plötzlich in die Membran über (I, 7; II, 3). Die Struc- tur der Fasern ist aber von Physarum sehr verschieden. Sie sind stets sehr schmal (Breite V785 Mm. — y490 Mm. bei D. nigripes, leucopus; bis ys80 Mm. bei D. farinaceum), cylindrisch oder etwas plattgedrückt, durchaus solide, oder, wo sie besonders stark sind (D. farinaceum), mit einer zarten axilen Längslinie, als einziger Andeutung eines Hohlraumes
    versehen. Die \ erzweigungen und Anastomosen sind seltener und viel regelmässiger, als bei Physarum. Gegen die an Wand und Columella befestigten meist dünneren und blässeren Enden hin theilt sich jede Faser in zwei bis mehrere spitzwinklig divergirende Gabelzweige, die durch einzelne Querstränge von gleicher Beschaffenheit anastomosiren. In dem übrigen Verlauf der Fasern finden sich zerstreute Bamificationen, gleichfalls meist in spitzen Winkeln abgehend und mit andern anasto- mosirend (I, 7; II, 3, 4, 15). Erweiterungen sind an den Verbindungs- stellen nicht oder höchst unbedeutend vorhanden, es fehlen daher die für Physarum charakteristischen Kalkbehälter des Capillitiums. Diese Structureigenthümlichkeiten verleihen dem bei schwacher VergrösserungbetrachtetenCapillitiutn vonDidymium ein vonPhysarum durchaus verschiedenes Ansehen. Statt des nach allen Seiten hin reich verzweigten, mit zahlreichen dicken Anschwellungen versehenen Netz- werkes sieht man hier feine Fäden regelmässig von der untern Fläche des Sporangium nach der obern, oder von der Columella strahlig nach der Wand verlaufen. Die einzelnen Fasern sind entweder straff und gerade, oder deut- lich undulirt; letzteres besonders sehr auffallend bei D. farinaceum (I, 7). Die welligen Biegungen sind im trockenen Zustande höher, im Wasser werden sie flacher, ohne jedoch gänzlich zu verschwinden. Die Aussenfläche der Fasern ist entweder ganz glatt, oder zuweilen mit kleinen, spitzen Erhabenheiten bedeckt; die Farbe der stärkeren mitt- leren Partie bei D. farinaceum und nigripes braunviolett, die dünneren Enden farblos; andere Species, z. B. D. leucopus, besitzen ganz unge- färbte oder höchst diluirt-bräunliche Fäden. Der Stiel des D. nigripes (II, 1) ist in Wasser betrachtet dunkel schwarzbraun, seine Oberfläche mit zahlreichen stumpfen Längsrunzeln und Furchen versehen. Er besteht aus einer derben Membran, die sich an seiner Basis in eine kreisförmige, der Unterlage aufsitzende häutige Scheibe ausbreitet, und an dem Stiele selbst |eine weite, von brauner Körnermasse locker erfüllte axile Höhlung umschliesst. Die Runzeln und Furchen auf der Oberfläche entsprechen Faltungen dieser Membran. An der Basis des Sporenbehälters ist die Höhlung durch eine dicke braune Querwand geschlossen, die seitlich in die Sporangiumwand, nach unten in die Membran des Stiels continuirlich übergeht, und, kuppelförmig ins Innere des Sporangiums emporgewölbt, hier die Co- lumella darstellt, von der unzählige Capillitiumfasern entspringen. D. farinaceum zeigt eine ähnliche Beschaffenheit des Stiels. Nur fehlt hier häufig die Columella, die Innenfläche des Sporangiums
    ist an der Stielinsertion eben oder nach oben concav. Andere Exemplare zeigen ein deutliches, breites Mittelsäulchen. Wie schon Fries angiebt, kommen bei dieser Species auch ganz kurzgestielte und selbst vollkom- men stiellose Exemplare vor.' Kalk habe ich bei D. farinaceum und nigripes in Stiel und Co- lumella nicht gefunden. In reichlicher Menge, und zwar in Form dicker Körner die Höhlung der genannten Theile ausfüllend, findet er sich bei D. leucopus. Ihm und der farblosen Membran verdanken jene hier ihre weisse Farbe. Sie zeigen im Uebrigen die gleiche Struc- tur, wie bei den beiden anderen Arten. Nach Lösung des Kalkes bleibt in ihnen eine geringe Menge organischer Substanz in Form von unge- färbten Körnern und Klumpen zurück. Die stets violetten oder violett-braunen Sporen vonDidymium zeigen den nämlichen Bau, wiebeiPhysarum. Sie liegen in ihrem Behälter allent- halben zwischen den Fasern desCapillitium. Das Sporangium der Didy- mien zerbröckelt zuletzt, oder zerreisst in unregelmässige Lappen. Die übrigen Arten der formenreichen Gattung Didymium, welche ich ruitersucht habe, stimmen in den Haupt-Structureigenthümlichkeiten mit den drei beschriebenen überein, die Speciesunterschiede, welche sie zeigen, sind den bei Physarum angegebenen analog. Nur zwei Arten habe ich kennen gelernt, deren Bau, bei sonstiger Uebereinstinunung mit den übrigen, besonders zu erwähnende Eigenthiimlichkeiten zeigt. Die eine, welche ich D. physaroides nennen will1) hat in ihren halbkugeligen oder unregelmässig gelappten ungestielten Sporangien ein Capillitium, dessen Fasern immer mit einer engen axilen Höhlung versehen, stellenweise aber zu Blasen erweitert sind, in welchen stachelige Drusen oder eckige unregelmässige Krystalle von kohlen- saurem Kalk (nie runde Körnchen) eingeschlossen sind. Die andere ist das in dieser Abhandlung noch mehrfach zu erwäh- nende D. Serpula Fr. (II, 13 —15). Die Sporangien dieser Species stellen plattgedrückte, dem Substrat horizontal aufsitzende, durchaus stiellose, oft mehrere Linien grosse Schläuche dar, welche oft netzförmig verbundene Zweige und hierdurch die Gestalt eines unregel- mässigen Siebes zeigen. Die Wand der Sporangien zeigt die für die ganze Gattung charakteristische Structur; das gleiche gilt von den senk- recht zwischen Ober- und Unterseite der Wand stehenden Capillitium- fasern. Der Raum zwischen diesen ist grösstentheils von den etwa *) Ob es das D. physaroides Fries ist, vermag ich allerdings nicht bestimmt zu entscheiden.
    yi20 Mm. — %, Mm. grossen Sporen ausgefüllt, welche den gewöhn- lichen Bau zeigen; ausser diesen findet man aber zahlreiche rundliche oder ovale Blasen, welche den Sporen auf den ersten Blick ähnlich sehen. Sie sind aber vier bis sechs Mal grösser als diese, und ihre braun- violette Membran umschliesst nicht wie bei diesen farbloses Protoplasma, sondern eine klumpig grobkörnige, durch hellgelbes Pigment gefärbte Masse. Ich will sie daher, und aus später anzuführenden Gründen, P ig - mentbe halter nennen. Sie liegen nicht frei zwischen den Capillitium- fasern, sondern sind an diese mit ihrer einen Seite immer fest angeklebt oder angewachsen (II, 15). Die Gattung Diderma Persoon et Fries, welcher sich eine An- zahl Formen, die Fries neuerdings zu Leocarpus stellt, anschliessen, ist eine nicht natürliche. Die Arten welche in diese Gattungen gerechnet werden, stimmentheilsmitPh y sarum (z.B. Diderma co ntex tum P. D. conglomeratum Fr.), theils mit Didymium (z. B. Diderma stellare P., D. testaceum Schrad., D. deplanatum, D. Li- ber tianum Fres.) 1 u. a. m.) in allen Hauptpuncten der Organisation völlig überein. Nur darin unterscheidet sich ihr Bau von dem oben be- schriebenen, dass die Wand des Sporangiums aus zwei von einander trennbaren und manchmal (z. B. D. Libertianum) durch einen weiten luftführenden Baum von einander getrennten Häuten besteht. Die innere dieser letzteren ist zart, ganz oder beinahe farblos und ganz frei von Kalkkörnchen oder arm an solchen; die äussere stellt eine derbe, dicke, spröde Kruste dar, welche auf den ersten Blick ausschliesslich aus massenhaft mit einander vereinigten, runden oder krystallinischen Kalkpartikelchen zu bestehen scheint. Löst man letztere auf, so erkennt man, dass sie einer dünnen weichen, aus organischer Substanz bestehen- den Membran ein- und aufgelagert sind (II, 5 — 7). Die Didermen wer- den hiernach am zweckmässigsten einfach zu Physarum und Didymium zu stellen sein, etwa als besondere Sectionen dieser Genera. Angioridium Grev. Fries hat durchaus die Structur von Phv- sarum-Diderma und ist daher mit Physarum zu vereinigen. Dasselbe gilt für Carccrina Fr., wenigstens für C. conglomcrata Fr., welche mit dem oben erwähnten Diderma conglomeratum identisch ist. Die Genera Claustria Fr. und Tilmadoche Fr. kenne ich nicht, nach den Diagnosen ihres Autors ist es jedoch kaum zweifelhaft, dass sie mit den beschriebenen Physareen wenigstens nahe verwandt sind. *) Diese Art wird unter dem Namen Didymium Libertianum im Verlaufe dieser Arbeit öfters erwähnt und in der Erklärung der Tafel II ausführlicher be- sprochen werden. Sie ist von Cienkowski P h y s a r u m a 1 b u m genannt werden.