Ursprung und Entwicklungsgeschichte der Bestrafung der Fruchtabtreibung und deren gegenwärtiger Stand in der Gesetzgebung der Völker / [Otto Ehinger].

  • Ehinger, Otto, 1882-1979.
Date:
1910
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Credit: Ursprung und Entwicklungsgeschichte der Bestrafung der Fruchtabtreibung und deren gegenwärtiger Stand in der Gesetzgebung der Völker / [Otto Ehinger]. Source: Wellcome Collection.

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    der merkantilistischen in der Rücksichtslosigkeit, mit der die Freiheit des Individuums dem Staatswohl geopfert wurde, während heute ein staatswissenschaftlicher Streit über die Berechtigung eines Abtreibungsverbots aus politischen Nützlichkeitsgründen als eines Eingriffes in die persönliche Machtsphäre unvermeidlich wäre. Diese Differenz in der Auffassung über die Opfer, die die Persönlichkeit dem Staatsganzen schuldet, ist völlig begreiflich; denn der Grieche fand nur in Hellas die Kultur, deren er be- durfte zu seinem Glücke; ringsum drohte die Barbarei. Mit dem Zusammenbruch des Heimatstaates war die Lebensmöglich- keit des Kulturmenschen der älteren Zeit fast vernichtet. — Heute ist das anders geworden. Die Zivilisation hat die Welt erobert; und so traurig das Unglück des Vaterlandes den Bürger stimmen mag, es bedeutet nicht mehr die Vernichtung alles dessen, was die Menschheit sich errungen hat an Schönheit und Kultur. Abgesehen aber von dieser patriotischen Frage hält er, wie die Fragmente zeigen, in erster Linie nicht die Jurisprudenz, sondern Physiologie und Philosophie für berufen zur Ent- scheidung. Wenn der Richter den Foetus schützen soll, so muß er, folgert Lysias, vor allem über dessen Wesen sich klar sein. Wenn Leben, das er gleich bewußtem Leben und Seele zu setzen scheint, eingezogen ist, dann ist nach ihm Abtreibung Mord. Es dürfte von Fall zu Fall entschieden worden sein, ob dieses Moment bereits eingetreten sei. Lysias selbst war der Ansicht, daß die Beseelung etwa zwischen dem sechsten und siebenten Monat stattfinde; doch gesteht er, daß er sich über diesen Vor- gang nicht klar sei. — IV. Die Gesetzgebung jedes großen Volkes ist von idealen Tendenzen getragen. Um die Größe der Griechen sich zu ver- gegenwärtigen, möge man sich erinnern an die Denkmäler der Kunst und Literatur, die sie uns hinterließen. Freilich ragten die Philosophen und Künstler auch dort über die Massen empor, aber die sittliche Höhe derselben ist nicht denkbar ohne eine gewisse allgemeine Entwicklung, und die Richtung ihres Strebens erlaubt Rückschlüsse auf die Reife der Gesetzgebung für die einzelnen Probleme.