Diagnostik der Geisteskrankheiten : für Ärzte und Richter / von Johann Spielmann.

  • Spielmann, Johann, 1820-1882.
Date:
1855
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Credit: Diagnostik der Geisteskrankheiten : für Ärzte und Richter / von Johann Spielmann. Source: Wellcome Collection.

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    Aneignung unmöglich, und eben so wenig zusammengesetzte Vorgänge, welche die Aperception zur Grundlage haben. Ob der Kranke Selbstbewußtsein habe, ein Bewusstsein dessen, was in ihm vorgeht, diese Frage lässt sich im Allgemeinen weder be- jahen noch verneinen; es gibt Zustände des Tobsüchtigen, in welchen er genau weiss, was in ihm vorgeht, und Zustände, die ohne dicss Be- wusstsein geschehen. Das Verhalten des Ich ist verschieden. So lange der Sturm der Aufregung anhält, Vorstellungen, Stimmungen und Bewegen durch das Bewusstsein jagen, ist das Ich vollkommen gehemmt, tritt nicht ins Bewusstsein, aber es ist in seinem Bestände vollkommen gewahrt und keine Vorstellung ist verfälschend eingedrungen. Eine Zersetzung dieser so gewaltigen Gruppe wie das Ich ist, er- fordert Zeit, und die Wahnvorstellungen, die sich gebildet haben, hän- gen nur von der Stimmung ab, treiben mit ihr, ohne feste Verbindung einzugehen und frühere Vorstellung durch ihren Gegensatz zu verfälschen. Treten jene Vorgänge der Aufregung zurück, so wird das Ich von ihnen befreit, und es gelangen seine Elemente mit jeder schrittweisen Entlastung zur Geltung; der Kranke erwacht wie aus schweren Träu- men, er weiss genau vom Momente der Tobsucht an gar nichts von sich. Bei längerer Dauer bleiben ihm gewisse Erinnerungen, die im Momente der Ruhe dem Ich sich einprägen konnten, gewisse Wahrneh- mungen und reproducirte Gefühle, ohne dass er deren Bedeutung mehr begreifen kann, und die ihm desshalb unerklärlich bleiben. In einzelnen Kranken ist eine seltsame Abneigung, seltener eine Zuneigung gegen gewisse Personen eingetreten, von der er sich nicht mehr Rechenschaft geben kann, die aber, wie er fühlt, durch das Beneh- men derselben, wie es damals gegen ihn war, und wie es ihm schien, ■vollkommen begründet ist. Es ist höchst interressant, solche Tobsüchtige zu beobachten, die nach kurzer Dauer der Aufregung, oft nur von 12 — 24 Stunden, so- genannte Mania acutissima, (auch Mania transitoria), erwachen, und fortan ruhig bleiben, um langsam zu genesen, das heisst, sich zu erholen. Nur der Druck wie eines sehr schweren Traumes lastet auf ihnen und die bedeutende Ermattung lässt sie allmälig ihren tobsüchtigen Zu- stand glauben, den die Augenzeugen mittheilen. Je länger die Tobsucht aber währte, desto mehr Wahnvorstel- lungen, die sich während der Aufregung so zahlreich und mannig- fach gebildet hatten, bleiben in den Stunden oder Minuten des Nach- lasses, der aber noch immer eine lebhafte Stimmung bewahrt, im Bewust- sein zurück und treffen dort mit den Vorstellungen, deren Inbegriff das