Volume 1

Die Chirurgie der Nieren der Harnleiter und der Nebennieren / von Ernst Küster.

  • Küster, Ernst Georg Ferdinand, 1839-
Date:
1896-1902
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Credit: Die Chirurgie der Nieren der Harnleiter und der Nebennieren / von Ernst Küster. Source: Wellcome Collection.

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    Man sieht, wie sehr dieser Standpunkt sich bereits dem von Heister vertretenen nähert, wie es nur noch eines Schrittes bedurfte, um zur Nephrolithotomie in unserm Sinne zu gelangen. Dennoch wurde dieser Schritt über ein Jahrhundert lang noch nicht gethan; denn immer war die Furcht vor der Nierenverletzung einerseits, die Anschauung von den hinter der Niere gelegenen Abscessen andererseits noch nicht überwunden. Es bedurfte noch zahlreicher Erfahrungen, um zu richtigen Anschauungen zu gelangen. Zunächst war es die pathologische Anatomie, welche neues Material lieferte. G. van Swieten (1763), Baillou (Ballonius), vor allen Dingen Morgagni (1779), ferner der Holländer Sandifort (1783—85), der Berliner F. A. Walter (1800) u. a. m. lieferten durch genaue anatomische Untersuchungen casuistische Beiträge, welche für spätere Zeiten vielfach eine Fundgrube geworden sind, nicht nur für die Pyelitis calculosa, sondern auch für manche andere Nierenkrankheiten. In einer Pariser Dissertation von Comhaire (1803) wü-d auch von Neuem über glücklich verlaufene Nierenexstirpationen an Thieren be- richtet. Alles das vermochte indessen die Hauptvertreter der Chirurgie zunächst nicht zu einem kühnern Vorgehen bei Nierensteinen zu be- wegen. Um sich davon zu überzeugen, lese man nur die entsprechenden Ausführungen in den beiden chirurgischen Hauptwerken vom Anfang des Jahrhunderts. Gr. A. Richter schildert in seiner klaren, ruhigen Schreibart die Erscheinungen des Nierenabscesses und seine operative Behandlung in der anschaulichsten Weise. Aber offenbar ist auch er noch der Meinung, dass die Steine meist in der Nierensubstanz liegen. Ist dies der Fall, dann soll der Abscess eröflPnet und die Steine aus- gezogen werden. Noch einfacher ist die Sache, wenn ein Abscess in der Niere und ein zweiter hinter derselben gelegen ist. Aber am Schluss räth er dringend von einer Eröffnung der Niere ohne gleich- zeitigen Abscess ab und führt unter den Gründen, welche gegen diesen Eingriff sprechen, den an, dass man dicke Muskeln, Gefässe und Nerven durchschneiden müsse, um zu der Niere zu gelangen. Dass hierin ein Widerspruch zu dem Vorhergehenden steckt, ist dem Verfasser nicht zum Bewusstsein gekommen; denn dieselben Weichtheilsschichten müssen doch auch durchschnitten werden, wenn der Abscess in der Niere selber gelegen ist. In diesem Punkte hat sich Richter offenbar nicht von den herkömmlichen Auffassungen frei zu machen gewusst. Einen ganz ähnlichen Standpunkt nimmt Boy er ein. Auch er beschränkt die chirurgische Thätigkeit bei Steinnieren auf die Er- öffnung der Abscesse und schildert besonders sorgfältig die doppelte Eitertasche, welcher man beim Einschneiden nicht selten begegnet. — Auf dieser Grundlage bewegte sich die Chirurgie wähi-end mehrerer Decennien. Einen Markstein in der Entwicklung der Lehi-e von den Nierenkrank- heiten bildet das von 1839—41 erschienene umfassende Werk Rayers, eine für alle Zeiten mustergültige Monographie. Ray er war innerer Mediciner, und widmet daher den chronischen Entzündungen der Niere, welche durch die Schriften des Engländers Bright in eine völlig neue Beleuchtung gerückt waren, einen ansehnlichen Theil seines Buches; aber er fasste auch alles das zusammen, was an chirurgischen Er- krankungen der Niere bis dahin bekannt geworden war, und es bleibt